Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt
Außenweltler behaupteten, er sei das leblose Zentrum des Sibyllencomputers ... Doch noch nie war sie in das tote Herz dieser Maschinerie gerufen worden, bisher hatte immer eine direkte Frage den Sturz ins Nichts ausgelöst.
Ihre Verwirrung schlug um in ein dunkleres Gefühl, mit jeder nicht meßbaren Sekunde, die verging, wuchs ihre Furcht. Schon früher hatte das Sibyllennetz sie angesprochen und ihr seinen eigenen Willen eingeflüstert – aber noch nie in dieser Weise. Die Stimme hatte ihr Unterbewußtsein durchdrungen, ihr Eindrücke, Visionen, Ideen vermittelt, die auch ihrem eigenen Geist hätten entstammen können – und in Augenblicken der Schwäche hatte sie sogar geargwöhnt, daß genau dies der Fall war. Die Eingebungen sollten ihr den Weg weisen, der zum angestrebten Ziel führte. Doch noch nie hatte das Sibyllennetz sie an einen anderen Ort gerufen.
(Mond ...) Ihr Name hallte durch die Stille; plötzlich erfaßte sie eine Brise und entführte sie aus der absoluten Leere. Ein endloses Spektrum an Gefühlen durchströmte sie, reizte ihre Nervenenden und trug sie hinein in eine brausende Sinfonie aus Licht.
(Mond ...?) Die Vision ihres Namens erfüllte sie, sie beobachtete, wie die Dunkelheit abermals die Gestalt veränderte; Welle auf Welle schillernder Musik brandete auf und versickerte ...
(Hier ...) Als sie ruhiger geworden war, versuchte sie zu antworten; ihr eigener Gedanke durchzuckte die namenlose Leere wie eine strahlende Fackel.
(Mond ...)
Der Klang ihres Namens berührte sie, liebkoste sie so sanft wie der zärtlichste Liebhaber. Eine verzehrende Sehnsucht ergriff von ihr Besitz, und sie spürte Angst. (Wer ...? Was ...? Was willst du?)
(Mond, ich bin's, BZ. BZ Gundhalinu ...) In der Stimme schwang der Schatten eines Zögerns mit, wie wenn er befürchtete, sie könnte nicht nur den Namen, sondern auch den Mann, der so hieß, schon vergessen haben.
(BZ ...) Wie eine glänzende Welle floß ihr Staunen hinaus in die Dunkelheit und Stille und vermischte sich mit der strahlenden Musik seiner Worte. (BZ. Wie ist das möglich, wo bist du? Wo sind wir?) Sie verstand nicht, wieso sie ihn nicht sehen konnte, oder warum sie in der Lage war, frei mit ihm zu sprechen.
(Es ist eine besondere Art von Transfer.)
(Bist du an dem Ort, der das Nichts genannt wird? Ich kann dich fühlen ...) Sie spürte, wie sie von einer Woge aus Licht emporgetragen wurde, und plötzlich begriff sie ... Sie erkannte, daß ihr in all den Jahren sein Schicksal nicht gleichgültig gewesen war, daß sie nicht vergessen hatte, welche Opfer er aus Liebe zu ihr brachte, und daß die Erinnerungen an ihre gemeinsamen Erlebnisse ewig lebendig bleiben würden ...
(Ich weiß nicht genau, wo wir sind ... Ich fühle auch etwas, aber ich kann es nicht beschreiben. Mond, ich ...) Sein jähes Schweigen brannte sich wie eine dunkle Flamme in ihr Bewußtsein.
(BZ?) Sie rief seinen Namen. (O BZ, einmal träumte mir, du hättest in dieser Weise mit mir gesprochen. War es ein Traum ...? Ist dies auch ein Traum?)
(Nein), antwortete er leise, und das Wort streichelte sie wie ein Seufzer.
(Warum hast du es nicht schon früher versucht ... wenn du den Transfer beherrschst ... Ich habe es mir so sehr gewünscht ...) Sie brach ab; die Aura ihrer plötzlichen Sehnsucht erwärmte sie wie die aufgehenden Sonnen das Meer.
(Wirklich ...?) flüsterte er. Wieder warf sein Schweigen einen langen Schatten über den See ihrer Gedanken. (Ich konnte nicht), antwortete er schließlich. (Ich konnte nicht, weil ich mir nicht sicher war ... ob du es gewollt hättest. Was für einen Sinn hätte es gehabt, uns beide zu quälen, wenn es ohnehin keine Zukunft gab, in der wir beide uns hätten wiedersehen können.)
Sie ließ die Strahlen seiner Worte auf sich einwirken, bis sie deren wahre Bedeutung begriff. (Soll das heißen ... daß wir uns wiedersehen werden?)
(Ja.)
(Aber wie ...?) Etwas in ihr fing Feuer, ein köstlicher Schmerz brannte in ihr, sie durchlebte Angst und Verwunderung, Begehren und Sorge. (Es ist nicht möglich; es kann nicht möglich sein ...)
(Doch, jetzt geht es, und schon sehr bald läßt es sich realisieren. Mond, nachdem ich mit dir im Transfer Kontakt aufnahm, am Feuersee – fand ich heraus, daß der See aus Stardrive-Plasma besteht. Ich brachte der Hegemonie den Stardrive zurück, und zur Zeit befinde ich mich auf Kharemough. Es werden Sternenschiffe gebaut.)
Der wohlige Schmerz schlug um in Angst, kalt und unerbittlich wie
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