Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt
kleiner Junge war, erzählte mir meine Kinderfrau, daß die Unklassifizierten Grisha essen, das aus Rattenfleisch und verdorbenem Gemüse gekocht ist.«
»Man begnügt sich mit dem, was man kriegt«, sagte sie sanft.
Er dachte an Tiamat, er dachte an World's End, und erinnerte sich an die viel seltsameren Dinge, die er dort verzehrt hatte, und bald wieder verzehren würde ... Er aß noch einen Bissen, und noch einen, -und plötzlich mußte er lächeln. »Entweder wir wachsen, oder wir sterben, ist es nicht so? Es schmeckt wirklich ganz vorzüglich, weißt du.«
Nach dem Dinner ließen sie sich auf die Polster im Meditationszimmer sinken. Ein Servo brachte ihnen ein Schwebetablett mit Süßigkeiten. Pandhara zündete sich ein Gewürzstäbchen an, inhalierte den Rauch und blies ihn wieder aus; der nach Weihrauch duftende Qualm kräuselte sich unter der Zimmerdecke. Heute sah Gundhalinu zum erstenmal, daß sie rauchte.
Er wußte so vieles nicht von ihr, und er hatte auch keine Gelegenheit mehr, sie besser kennenzulernen ...
»Diese Gewürzstäbchen sind sehr ungesund«, sagte Aspundh mit mildem Vorwurf.
Sie schaute BZ an; in ihren Augen stand eine Frage. »Heute abend will ich leichtsinnig sein, KR.«
Aspundh blickte von einem zum anderen und sagte nichts mehr. Nach einer Weile wandte er sich an Gundhalinu. »Jetzt ist der Zeitpunkt also gekommen, der Weg nach Tiamat ist wieder frei. Und Sie werden als Oberster Richter dorthin gehen. Alles hat sich so ergeben, wie Sie es schon vor Jahren vorhersagten.«
Beinahe hätte Gundhalinu genickt, doch der Drang zur Aufrichtigkeit war stärker. »Nein«, widersprach er freundlich. »Alle meine Pläne haben sich nicht erfüllt, KR.«
Aspundh schwieg und wartete.
Das Tablett mit den Süßigkeiten schwebte zu Gundhalinu hin, und er nahm sich ein kleines, verziertes Küchlein. Er hielt es kurz in der Hand, betrachtete es und legte es dann auf den Teller zurück. Zum Schluß versetzte er dem Tablett einen leichten Schubs. »Wahrscheinlich halten Sie mich jetzt für verrückt, aber ... auf einmal bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich das richtige tue.« Außerstande, Aspundh noch länger anzusehen, legte er sich die Hand über die Augen. »Plötzlich befallen mich Zweifel – ob ich aus den richtigen Motiven nach Tiamat zurückgehe, ob ich wirklich etwas erreichen kann ... ob das Ganze überhaupt einen Sinn hat. Seit Jahren bin ich von dem Wunsch besessen, diese Welt wiederzusehen, und jetzt, wo es soweit ist, frage ich mich nach dem
Warum.
Klammerte ich mich an diese Idee, weil ich keinen anderen Lebensinhalt hatte? Seit ich nach Kharemough zurückgekehrt bin ...« Kopfschüttelnd ließ er die Hand wieder sinken. »Die Götter mögen mir beistehen«, flüsterte er, »aber ich will nicht von hier fort.«
Aspundh furchte die Stirn, doch in seinem Blick lag kein Tadel, sondern Verständnis. »Haben Sie darüber mit Ihrer Frau gesprochen, BZ?« Er sah zu Pandhara hin.
»Ja.«
»Und Sie, PHN, was sagen Sie dazu?«
Unruhig bewegte sie sich auf den Kissen. »Ich will, daß er glücklich ist ...« Beinahe ärgerlich hob sie den Kopf. »Aber ich will auch, daß er bei mir bleibt ...« Sie schaute Gundhalinu an, und ihr Blick versetzte ihm einen schmerzhaften Stich ins Herz. »Ihr wart sehr einsam, BZ ... Jahrelang habt Ihr an der Verwirklichung Eures Traums gearbeitet, und erst jetzt begreife ich ansatzweise, weshalb Ihr es tatet. Die ganze Zeit wußte ich nur, daß Ihr mit Euch selbst nicht in Frieden lebt, und daß Ihr erst Ruhe finden würdet, wenn Ihr Euch selbst erkannt habt.«
Gundhalinu schloß die Augen und legte sich die Hände übers Gesicht. »Verflucht! Nachdem ich heil aus World's End herausgekommen war, wußte ich, daß
nichts
mich daran hindern würde, meine Ziele zu verwirklichen ...« Seine Hände sanken kraftlos in seinen Schoß zurück.
»Nichts – außer Glück. «
»Dann müssen wir Mond Bescheid geben, daß die Flotte in wenigen Monaten eintreffen wird – aber ohne Euch«, meinte Aspundh.
Gundhalinus Gesicht fing an zu brennen. »Mond erzählte mir, daß es ihr nichts ausgemacht hätte, auf Kharemough zu bleiben – doch etwas zwang sie, nach Tiamat zurückzukehren. Das Sibyllennetz sprach zu ihr, es ließ sie wissen, was sie zu tun hätte. Etwas ähnliches habe ich nie gespürt. Wenn ich doch nur halbwegs sicher sein könnte; ob ich das Richtige tue.«
»Vielleicht haben Sie keine Stimmen gehört, weil Sie das nicht brauchten. Ihr eigener Wunsch, der
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