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Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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die acht Welten der Hegemonie wenig gemeinsam. Sie waren praktisch autonom, wenn auch Kharemough auf heuchlerische Weise für eine künstlich erzeugte Not sorgte. Das wußte Gundhalinu so gut wie jeder andere; sein Dienst auf Tiamat hatte ihm die Augen geöffnet.
    »Ich hätte unverzüglich um meine Entlassung bitten müssen«, sagte er. »Aber in den letzten Monaten hatte ich ... familiäre Probleme. Meine Brüder verloren ...«
– die Ländereien und das Vermögen meines Vaters, das heilige Andenken an tausend Vorfahren, und das alles durch ihre Dummheit und Gier –
»meine Brüder sind in World's End verschollen.« Wieder merkte er, wie er rot wurde und hastig fuhr er fort: »Das soll keine Entschuldigung sein, Sir, nur eine Erklärung.«
    Den Chefinspektor schien das wenig zu beeindrucken. Er selbst fand ja keine Erklärung für die Träume, die ihn Nacht für Nacht quälten, seit seine Brüder durch Foursgate gekommen waren, um auf der Jagd nach eingebildeten Schätzen in die erbarmungslose Wildnis aufzubrechen, die World's End genannt wurde. Jede Nacht wurde er im Traum von den Geistern seiner entwürdigten Ahnen verfolgt; das Gesicht seines toten Vaters verwandelte sich in ein Mädchenantlitz, so bleich wie Schnee; endlose verschneite Weiten ... Zitternd, als hätte er Schüttelfrost, wachte er jedesmal auf. »Hiermit ersuche ich um meine Entlassung aus dem Dienst, Sir«, sagte er mit einer Stimme, die überraschend fest klang.
    Der Chefinspektor schüttelte den Kopf. »Das ist nicht nötig, sofern Sie bereit sind, sich vorläufig im Rang herunterstufen zu lassen und Urlaub zu nehmen, bis der Generalgouverneur den Zwischenfall vergessen hat. Und bis Sie Ihr seelisches Gleichgewicht wiedergefunden haben.«
    Ich wünschte, ich könnte die Vergangenheit genauso schnell vergessen wie der Generalgouverneur meinen Fauxpas.
Gundhalinu schluckte krampfhaft und sagte mit müder Stimme: »Danke, Sir. Soviel Nachsicht habe ich gar nicht verdient.«
    »Sie waren ein guter Offizier«, erwiderte Savanne ein bißchen zu mechanisch. »Nehmen Sie sich alle Zeit, die Sie brauchen, um Ihre Probleme zu lösen. Ruhen Sie sich aus und genießen Sie es, einmal keine Pflichten zu haben. Machen Sie sich mit dieser Welt vertraut.« Er sah Gundhalinu an und streifte mit einem nervösen Blick die hellen Narben an dessen Handgelenken. »Aber vielleicht ... würde es Ihnen helfen, wenn Sie nach dem Verbleib Ihrer Brüder in World's End forschen.«
    Plötzlich wurde Gundhalinu schwarz vor Augen, ihm schwindelte, und er fühlte sich, als falle er in ein tiefes Loch. Er schüttelte den Kopf und sah, wie der Chefinspektor die Stirn runzelte.
    »Kommen Sie zu den Streitkräften zurück, Gundhalinu«, sagte Savanne. »Aber erst, wenn Sie Ihre Narben losgeworden sind.«
    Gundhalinu starrte ihn an. Er grüßte zum Abschied, machte eine zackige Kehrtwendung und verließ das Büro.
    Ohne Narben.
Vor ihm erstreckte sich der beleuchtete Korridor wie ein auswegloser Schacht.
Ohne die Vergangenheit.
Er fragte sich, was es für einen Sinn hätte, sich die Narben entfernen zu lassen. Der Chefinspektor würde sie trotzdem sehen, und er auch. Es wäre nichts anderes als ein neuer Akt der Heuchelei.
Das Leben fügt uns blindlings Narben zu,
dachte er.
Nur der Tod ist perfekt.
     

TIAMAT
Südküste
    M iroe?!« rief Jerusha, als sie die Schiffskabine verließ und auf das sanft schaukelnde Deck trat. Er stand immer noch an der Reling, wie seit Stunden schon, und beobachtete die Mers. Eine frische Brise fuhr knatternd in die Segel und zerrte an ihren Gewändern. Doch der Himmel war endlich wolkenlos, und die Sonne hatte an Kraft gewonnen.
    Miroe drehte sich um, und als sie seine Miene sah, spürte sie Ernüchterung. Er schaltete das behelfsmäßige Aufnahmegerät ab, das er in der Hand hielt, und schob sich die Kopfhörer von den Ohren. »Verflixt«, murmelte er in sich hinein, »ich komme einfach nicht voran!«
    Sie seufzte und unterdrückte ihre Verstimmtheit, als sie merkte, wie enttäuscht er war. Dann stellte sie sich zu ihm an die Reling des Katamarans und schaute auf die Wellen hinab. Im Augenblick waren nirgendwo Mers zu sehen. »Als du den Vorschlag machtest, wir sollten die Küste entlangsegeln, nur du und ich, hatte ich mir mehr Erholung versprochen«, sagte sie.
Und mehr Romantik.
Sie wandte den Blick ab, denn wie immer war sie unfähig, über ihre eigenen Gefühle zu sprechen.
    »Ist es dir denn nicht ruhig genug?« wunderte er sich.
    Nach ihrer

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