Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt
ihm eine Summe an der er fast erstickt wäre.
»Wenn unsere Zusammenarbeit klappt, dann kriegst du von mir jedesmal das Doppelte.«
Kedalion holte tief Luft. Doch nach kurzem Zögern schüttelte er den Kopf. »Du schmeichelst mir«, gab er offen zu, »aber ich fühle mich der Aufgabe nicht gewachsen.« Er blickte Ananke an und sah, wie sich im Gesicht des Jungen die unterschiedlichsten Gefühlsregungen spiegelten. »Komm jetzt, Junge«, forderte er ihn auf. Er marschierte los, und Ananke folgte ihm wie ein Schlafwandler, sich immer wieder nach Reede umdrehend.
»Niburu!« rief Reede ihm hinterher. »Wenn du mich sitzenläßt dann wirst du es von jetzt an sehr schwer haben, eine passende Arbeit zu finden.«
Kedalion blieb stehen und schaute zurück. Als er Reedes Miene sah, kniff er die Lippen zusammen. »Wir werden ja sehen«, entgegnete er mit gespielter Forschheit. Dann kehrte er Reede den Rücken zu und ging weiter.
»Du sagst es«, brüllte Reede ihm nach.
NUMMER VIER
Foursgate
B Z Gundhalinu, Polizeiinspektor der Hegemonie, betrat sein Büro, wie an jedem Tag seit nunmehr fast fünf Jahren; er folgte stets der gleichen Routine, und hätte er es sich gestattet, darüber nachzudenken – was er jedoch nicht tat –, so wäre er sich vorgekommen wie ein Roboter. Er stellte einen Becher mit starkem aufgebrühten Challo – das einzige Anregungsmittel, das er zu sich nahm – auf exakt die Stelle seines Schreibtisches mit dem Computerterminal, wo die Hitze der vielen vorherigen Becher auf der glänzenden Politur einen stumpfen Fleck hinterlassen hatte.
Dann setzte er sich in seinen Sessel und drehte ihn so herum, daß er Foursgate im Blickfeld hatte, während er die Informationen aus dem Computer abfragte. Er ließ sich immer akustisch instruieren, weil er sich dabei fast entspannen konnte. Die Computerstimme, die irritierenderweise eine Imitation seiner eigenen war, begann mit einer Kurzfassung des Textes. Mit einem gemurmelten Wort verlangte er gelegentlich nach näheren Details und starrte aus dem Fenster auf die Stadt, die unter einer kalten Nebeldecke lag. Auf einmal fing es an zu regnen, Tropfen prasselten gegen die Scheibe, und dünne Rinnsale liefen wie Tränenspuren daran herunter.
Verdammter Regen,
dachte er und rieb sich die Augen. Regen erinnerte ihn viel zu sehr an Schnee.
»Der Chefinspektor bittet Sie, so rasch wie möglich in sein Büro zu kommen ...«
Gundhalinu erstarrte. »Stop«, sagte er zu dem Terminal und schwenkte herum, damit er den Bildschirmtext lesen konnte.
Der Chefinspektor.
Er glotzte auf die Buchstaben ...
in sein Büro zu kommen .. .
Gundhalinus Hände umklammerten die Armstützen des Sessels, wie wenn er sich in der Gegenwart verankern wollte. Währenddessen verschwammen die Konturen des Raums rings um ihn her, als würde er sich auflösen, und ihn allein in einer weißen Wildnis zurücklassen.
Langsam stand er auf, er hatte Angst, sein Körper könne ihn im Stich lassen; vielleicht versagten ihm die Beine den Dienst, oder – das andere Extrem – er drehte durch, sobald er die Halle erreichte, und rannte blindlings davon.
Es gab nur einen Grund, weshalb der Chefinspektor persönlich mit ihm sprechen wollte. Er schaute an sich hinunter und überprüfte die blaugraue Uniform nach einem Staubkörnchen oder einer Knitterfalte. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß seine Erscheinung korrekt war, verließ er sein Büro und begab sich zu Chefinspektor Savanne.
Er stand auf dem dezent geblümten Teppich vor dem Schreibtisch des Chefinspektors, ohne sich zu erinnern, wie er dorthin gekommen war. Gewohnheitsmäßig grüßte er, wie es die Vorschrift verlangte, doch er war davon überzeugt, daß ihm jede Gemütsregung vom Gesicht abzulesen war.
Savanne erwiderte den Gruß, blieb jedoch sitzen. Sich in seinem biegsamen Sessel zurücklehnend, unterzog er Gundhalinu einer schweigenden Musterung. Mit einer Willensanstrengung hielt Gundhalinu seinen Blicken stand. Mit dem Chefinspektor war nie leicht auszukommen, selbst via Bildschirm nicht. Und der vage Ausdruck in Savannes grauen Augen setzte ihm mehr zu, als es die von ihm erwartete kalte Mißbilligung vermocht hätte.
»Sir ...«, begann Gundhalinu und verbiß sich die Flut von Entschuldigungen, die ihm in den Sinn kam. Er senkte den Blick und betrachtete angelegentlich seine tadellos geputzten Stiefel. Keinerlei Unkorrektheit. Aber im Geist sah er die Wahrheit, er wußte, wo der versteckte Makel lag – er war ein
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