Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt
körperlich miteinander verband, und wie sie sich gegenseitig ergänzten. Zuerst waren sie ein Liebespaar geworden, ehe sie bis an die Spitze der Loge aufgestiegen waren. Auf ihrem Gebiet der Forschung und Entwicklung war ihnen keiner überlegen – sie befaßten sich mit Informationsquellen und technogenetischen Programmen; aus diesem Grund konnte ihr Plan klappen, und deshalb wog ihr Verrat am Establishment doppelt schwer.
(Auch ohne hinzusehen wußte er, daß er die Uniform des Survey trug, die ihn als Sektorkommandanten kennzeichnete; und er wußte auch, daß niemand je erfahren durfte, was sie hier in dieser öden Bergwelt taten – andernfalls würde man sie auslöschen wie einen unerwünschten Gedanken.)
Verdammt, wo blieb Mede? –
Unruhig blickte er zu den Türmen empor, die sich hinter Vanamoinens schemenhafter Silhouette erhoben: wuchtige, organische Gebilde, deren Zweige und Verästelungen, stumpfen Gliedmaßen gleich, nach den Sternen griffen. Ihre Form variierte, nicht zwei davon ähnelten sich. Noch immer standen sie wie stille Wächter da und beobachteten ihr heimliches Rendezvous.
Einstmals hatte in ihnen eine Rasse aus halbintelligenten, parasitären Lebewesen gewohnt; später zogen menschliche Kolonisten darin ein, die gegen den Besiedlungscodex des Survey verstießen und die ursprüngliche Population dezimierten ... Diese Kolonisten wiederum wurden zu einem großen Teil Opfer der interstellaren Kriege, die den Zerfall des pangalaktischen Imperiums beschleunigten.
Übrig geblieben waren nur noch diese riesigen leeren Hülsen stumme Zeugen eines früheren Lebens. Was hatte Vanamoinen doch einmal gesagt: »Wieso muß es überhaupt Historie geben? Historie ist immer schrecklich.«
Er atmete tief durch; seine Brust schmerzte, denn er war die dünne, trockene Höhenluft nicht gewohnt. Trotz der Isolierkleidung fror er. Seit seiner Rekrutenzeit hatte er sich körperlich nicht mehr so elend gefühlt wie jetzt, doch aus Angst vor Entdeckung trugen sie keine Fogger, die ihnen das übliche Mikroklima verschafft hätten.
»Horch!« sagte Vanamoinen plötzlich und fingerte nervös an seinem Ohr herum. Sie verzichteten auf neurale Kommunikationskreise, die aus dem All viel leichter anzupeilen waren, obwohl er sich davon überzeugt hatte, daß niemand sie belauschen konnte. Auch er faßte sich ans Ohr und merkte, daß sein Kopfhörer aus Kristallen, den er sonst immer trug, nicht da war. Das Informationssystem war zu einem Kunstwerk geworden und ein Bestandteil seines Körpers, wie seine Haut. Auch an Vanamoinens Ohr fehlte der Hörer. Er kam sich nackt vor ... nein, viel schlimmer, ihm war zumute, als habe er sich in der Leere des Weltalls verirrt.
(... in der Leere des Weltalls verirrt ... – er spürte, wie ihm seine Identität entglitt.)
»Verdammt!« fluchte jemand und schnappte hörbar nach Luft. Endlich hatten sich die Verschwörer getroffen. »Ilmarinen, du bist es hoffentlich?«
»Ja, ich bin es«, antwortete er ein wenig unsicher. Mit einem Blinzeln rückte er die Kontaktlinse für die Nachtsicht wieder an ihren Platz, und dann lächelte er. Ihm fiel auf, wie schwer ihm in letzter Zeit das Lächeln fiel. Sie waren da: Mede und sechs weitere, wie sie es versprochen hatte. Er hatte weder ein Spiel gewonnen noch einen Sieg errungen; auf einem Weg, der ihm unendlich lang erschien, war er einen mühsamen Schritt weitergekommen.
»Bei meinem Leben, Ilmarinen, für solchen Firlefanz bin ich zu alt«, keuchte Mede. Trotz ihres Schimpfens umarmte sie ihn herzlich, weil sie alte Freunde waren; dann ließ sie sich schwerfällig auf einen Felsbrocken nieder. »Wozu hast du uns an diesen gottverlassenen Ort bestellt?«
Es war eine rhetorische Frage. »Das weißt du doch. Wir wollen versuchen, die Zukunft zu retten.«
Sie gab einen spöttischen Ausruf von sich.
»Wie geht es den Kindern?« fragte er. Wenn es ihnen schlecht ginge, würde sie es ihm bestimmt nicht verraten. In ihrer Jugend waren er und Mede lange genug zusammengewesen, um drei Kinder zu zeugen, ehe sie sich trennten. Aber sie waren Freunde geblieben und hatten den Kontakt aufrechterhalten. Mittlerweile waren ihre Kinder erwachsen.
»Bezai hat endlich aufgegeben und sich auf Sittuh' niedergelassen; die anderen sind immer noch in der Loge, so wie wir. Es scheint wohl im Blut zu liegen.« Sie zuckte die Achseln. »Gelegentlich könntest du sie auch selbst fragen, wie es ihnen geht«, setzte sie scharf hinzu.
Er senkte den Blick. »Es tut
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