Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt
Einzelheiten erkennen zu können, aber sie wußte, welchen Heiligen Krieg Capella Goodventure mit Unterstützung ihrer Mutter, der Sommerkönigin, führte. Plötzlich war sie stolz auf ihre Mutter, auf einmal sah sie die Dinge mit deren Augen, und sie begriff, das sie doch etwas gemeinsam hatten, das viel wichtiger war als irgendeine profane Äußerlichkeit.
Reede rüttelte an ihrem Arm und forderte wortlos das Sichtgerät zurück. Mit einem Schrei des Entzückens gab sie ihm die Brille. »Sie werden die Jagd verhindern!• frohlockte sie. »Das haben die früher auch schon ge schafft. Meine Mutter beschützt sie vor den Außenwell lern!«
Plötzlich fing Reede leidenschaftlich an zu fluchen. »Nein! Nein, verdammt noch mal!«
»Was ist? Was ist los?« schrie sie und spähte gespannt nach vorn.
»Diese verfluchten Blauen! Die Dreckskerle haben ein Boot gerammt, und jetzt entern sie es ... Bei den Göttern, gerade rammen sie das nächste Boot ... Es bricht auseinander ...«
»Nein! O Herrin und alle Götter!« Ariele wirbelte herum und starrte verzweifelt über den Strand. Hastig kniete sie nieder und klaubte so viele Steine auf, wie sie schleppen konnte; dann flitzte sie zu den verständnislos dreinglotzenden Mers, bewarf sie mit Steinen und schrie, was ihre Lunge hergab.
»Ariele!« brüllte Reede. »Lauf zum Flieger zurück! Schnell!« Er sauste los.
»Nein!« kreischte sie. »Ich lasse sie nicht allein.«
»Nimm Vernunft an, verdammt noch mal!« Er holte sie ein und hielt sie fest. »Du sagtest doch, ein Hovercraft könnte sie erschrecken. Wir haben eins und können es benutzen, mögen die Götter uns beistehen! Komm schon!«
Sie nickte und hörte auf zu protestieren; zusammen hetzten sie zu den Klippen, wo das Hovercraft wartete.
Reede warf sich in den Pilotensitz und verriegelte die Tür, sobald Ariele eingestiegen war. Sie sackte auf den Platz neben Reede und fühlte, wie die Nothalterungen sie umschlossen; dann schoß das Hovercraft steil in die Höhe, fegte über den Rand der Klippen hinweg und strich dicht über die Köpfe der erstaunten Mers dahin. Sie schauten hoch, und es wirkte beinahe drollig, wie sie sich die schlanken, anmutigen Hälse verrenkten, um dem donnernden Hovercraft nachzuspähen. Nervös gemacht durch den Lärm, setzten sie sich in Bewegung.
Ariele sah zu, wie die dunkle, zuckende Masse der Leiber der Wasserlinie zustrebte, gleich einem vom Wind aufgewühlten Strom. Das Hovercraft erreichte das Ende des Sandstrands; Reede zog eine scharfe Kurve, und sie dröhnten noch einmal im Tiefflug über die Mers hinweg. Als Reede sah, daß sein Plan Erfolg hatte, stieß er einen wilden Freudenschrei aus.
Etwas traf den Flieger breitseits, wie eine unsichtbare Faust. Das Hovercraft geriet ins Schlingern und schmierte beängstigend ab; kurz vor einem Aufprall auf den Strand, stabilisierte es sich wieder; Alarmsirenen schrillten.
»Sie schießen auf uns, diese Verbrecher!« Reede brachte die Maschine in Steigflug, und mit höchster Geschwindigkeit entfernten sie sich vom Strand. Ariele kauerte in ihrem Sitz, durch die Beschleunigung fest ge gen die Polster gepreßt, und sah zu jeder Seite nur noch den Himmel.
»Wir müssen verschwinden«, meinte Reede und schaute sie an; sie erkannte den schmerzlichen Aus druck in seinen Augen. »Wir sind unbewaffnet und oh ne Schutzschirm. Das war nur ein Warnschuß; beim nächsten Treffer ist die Maschine ein Haufen Schrott Wir haben getan, was wir konnten, die meisten Mers sind geflüchtet ...« Als sie keine Antwort gab, setzte er hinzu: »Glaubst du mir?«
Sie nickte und schloß die Augen; blutrot drängte das Sonnenlicht durch die Lider. Nach einer Weile machte sie die Augen wieder auf und blickte in den blauweißen Himmel. »Danke«, flüsterte sie.
»Du brauchst mir nicht zu danken.« Stirnrunzelnd spähte er aus dem Fenster. »Mist! Für uns beide wird es ein Nachspiel geben. Wenn sie auf uns feuern konnten, müssen sie die Maschine vorher mit einem Kennstrahl erfaßt haben. Sie können uns bis in die Stadt hinein verfolgen.«
»Das Hovercraft gehört meiner Mutter«, sagte Ariele; ein kaltes Lächeln umspielte ihren Mund. »Der Oberste Richter hat es ihr geschenkt.« Sie sah Reede an. »Keine, weiß, daß du mit mir hier draußen warst, und niemand braucht es zu erfahren. Du wirst keine Scherereien bekommen. Falls die Chefinspektorin mir unbedingt ein paar Fragen stellen will ...« – sie wandte den Blick wieder ab –, »dann kriegt sie
Weitere Kostenlose Bücher