Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt
glühte rot der Abdruck, den seine Ohrfeige auf ihrer Haut hinterlassen hatte: »Warum hast du uns nicht abstürzen lassen?« kreischte sie verzweifelt.
Seinen zuckenden, schmerzenden Körper fest gegen den Sitz pressend, beobachtete er sie aus dem Augenwinkel heraus. Er spürte, wie sich bereits Blutergüsse bildeten; aus einem Nasenloch rann Blut und tropfte auf seine Lippe. Er wischte sich die Nase mit dem Hemdärmel ab.
»Du willst genausowenig sterben wie ich«, sagte sie. »Wir können über Funk Hilfe herbeirufen.«
»Steig aus«, sagte er; als sie sich nicht vom Fleck rührte, schnauzte er sie an: »Du sollst aussteigen, hab ich gesagt!« Nachdem sie sich aus den Gurten befreit und den Gleiter verlassen hatte, kletterte auch er hinaus. Da er Ariele nicht traute, versiegelte er von draußen sämtliche Einstiegsluken. Er betrachtete das Hovercraft, sah das demolierte Fahrwerk, und die Spur, die sie beim Schlittern über den unebenen Grund hinterlassen hatte. Ein Blick auf die zerschmetterten Triebwerke verriet ihm, daß die Maschine nicht mehr flugtüchtig war.
Alsdann nahm er ihre Umgebung in Augenschein. Sie befanden sich nicht auf der Insel, die er angesteuert hatte; dieses Eiland ragte als verschwommene Silhouette fern am Horizont der Wasserwüste auf. Wenn er sich einmal um die eigene Achse drehte, konnte er das gesamte Stück Land, auf dem sie abgestürzt waren, überblicken; irgendein elender, namenloser Felsbrocken, der sich nur knapp über der Wasserlinie erhob.
Gestrandet.
Ihm drehte sich der Magen um; er schluckte krampfhaft und hätte sich um ein Haar übergeben. Zum Glück war das Hovercraft zwischen den Bäumen gelandet. Das kleine Wäldchen aus Riesenfarnen bot den einzigen Schutz weit und breit; vermutlich waren die Bäume außer ihnen das einzig Lebendige auf dieser Insel, die höchstens noch von Seevögeln besucht wurde. Von der Luft aus wäre der Gleiter nicht zu sehen, es sei denn, man setzte elektronische Aufspürmethoden ein. Wenigstens hatten sie so ein bißchen Zeit gewonnen.
Er wandte sich wieder an Ariele. »Das Dorf befindet sich auf der nächsten Insel, dieser großen dort.« Er zeigte mit dem Finger. »Du bist eine gute Schwimmerin. Such dir irgendwas, das auf dem Wasser treibt, und in ein paar Stunden hast du die Insel erreicht.«
Eine Weile starrte sie ihn an. »Nein.«
»Verdammt noch mal, Ariele!« Mit geballten Fäusten, machte er einen Schritt auf sie zu.
»Ich lasse dich nicht im Stich.« Ihre Hände verkrampften sich ineinander. »Ich bleibe bei dir.« Jetzt weinte sie still vor sich hin.
Er blieb stehen und sah zu, wie sie weinte – um ihn ... um sie beide. In seinem Körper schienen sich unsichtbare Würmer zu winden, und das Gefühl wurde so stark, daß er am liebsten geschrien hätte. »Na schön«, sagte er erbittert, »mach, was du willst. Glaubst du, es ist nur eine Droge, deren Entzug mir so zusetzt? Dann warte nur ab. Genauso wird es nämlich dir ergehen, wenn du nach Karbunkel zurückkehrst. Meinetwegen bleib hier und laß dich zugrunderichten!« Mit der geballten Faust hieb er auf den Gleiter ein, und unerträgliche Schmerzen durchzuckten seinen Körper. Fluchend blinzelte er die Tränen fort. »Geh weg vom Hovercraft!« Er verscheuchte sie mit einem Wink. »Und daß du mir ja nicht zu nahe kommst!« setzte er wütend hinzu, als sie sich ihm nähern wollte. »Bleib unter diesen Bäumen dort, wo ich dich im Auge behalten kann!«
Rückwärts schlich sie sich davon, bis er zufrieden war. Dann hockte sie sich an den Stamm eines Baumfarns und schlang die Arme um die angewinkelten Knie. Sie beobachtete ihn, mit Augen, die im Schatten aussahen wie dunkle Teiche.
Er rutschte an der Flanke des Hovercraft herunter, setzte sich auf den harten, sandigen Boden und blockierte mit dem Rücken die Einstiegsluke. Übertrieben langsam zog er den Stunner aus dem Gürtel und legte ihn neben sich. Er wußte, was Ariele vorhatte; sie wartete die erstbeste Gelegenheit ab, um an das Funkgerät im Gleiter zu gelangen. Sie glaubte ihm nicht; er erkannte an ihren Blicken, daß sie immer noch auf einen Ausweg aus diesem Dilemma hoffte. Er wünschte sich nur, sie so lange aufhalten zu können, bis sie genug gesehen hatte, um zu begreifen – und daß sie ihn danach verlassen würde, ohne einen einzigen Blick zurückzuwerfen.
Er lehnte sich gegen die gewölbte Seite des Hovercraft. Ihm war zumute, als würde sein Fleisch von tausend spitzen Nadeln durchbohrt, doch er war so
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