Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt
sich mit den Kontrollen des Hovercraft, obwohl sie seiner Aufmerksamkeit gar nicht bedurften. Er versuchte krampfhaft, sich von Ariele abzulenken. Doch seine verräterischen Sinne registrierten mit jeder Faser seines Körpers ihre Nähe, wie wenn sie mit ihm verschmolzen wäre. Er wußte nicht mehr, wann er angefangen hatte, sie in die Arme zu ziehen, sie zu küssen und zu liebkosen. Leise stöhnte er auf, als seine degenerierenden Nervensynapsen ihn erzittern ließen, als stünde er unter elektrischem Strom; die Schmerzen verstärkten seine Erregung mit einer köstlichen Perversität. Ariele noch enger an sich pressend, genoß er jede Gefühlsschwingung, als sei sie seine letzte.
»Wirst du ... wirst du zu ihm zurückgehen?« fragte sie, während ihre warmen, weichen Lippen seinen Hals streiften.
Zu der Quelle?
»Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Ich lasse mich mit dem Hovercraft abstürzen. Ich gehe nie mehr zur Quelle zurück. Er soll denken, wir beide seien zusammen gestorben.« Eine Woge der Angst schlug über ihm zusammen, als er sich vorstellte, wie sich das kalte Meeres-wasser über seinem Kopf schließen, seine Lungen füllen und endlich von ihm Besitz ergreifen würde. Er redete sich ein, es würde schnell gehen; wenn er die Notfallsysteme abschaltete, konnte es in wenigen Sekunden vorüber sein. In Gedanken malte er sich die Alternative aus.
Er spürte, wie sie neben ihm erstarrte. »Dann nimm mich mit in den Tod«, murmelte sie. »Es macht mir nichts aus zu sterben, ohne dich will ich nicht weiterleben.«
Er schob sie von sich weg; seine Hände umschlossen so fest ihre Arme, daß sie vor Schmerzen zusammenzuckte. »Nein. Dann hat er gewonnen, dieser verdammte, elende Dreckskerl. Du mußt am Leben bleiben!« Er schüttelte sie. »Wenn du mich wirklich liebst, dann rette dich. «
»Wieso können wir beide nicht weiterleben?« fragte sie. »Der Oberste Richter wird uns helfen. Gundhalinu sagte einmal, daß er dich kennt und dir helfen könnte. Noch ist es nicht zu spät.«
»Für mich schon! Was ich brauche, kann selbst Gundhalinu nicht beschaffen. Und dich kann er auch nicht beschützen. Ich werde sterben, Ariele, hast du mich nicht gehört, verdammt noch mal?! Wenn ich nicht auf dem Bauch zur Quelle zurückkrieche und ihn anbettele wie ein unterwürfiger Hund, mir die Droge zu geben, bin ich so oder so tot. Und das Wasser des Todes kriege ich nur, wenn ich dich an ihn ausliefere.«
»Aber wenn es doch nur eine Droge ist ...«
Er lachte einmal scharf auf; einen solchen Laut mochte ein Mann von sich geben, der gepfählt wird und den ersten Stich verspürt. Angewidert wandte er sich ab: »Das Dorf der Sommerleute liegt auf der nächsten Insel. Dort setze ich dich ab.«
»Nein!« Jählings schnellte ihr Arm an ihm vorbei, und sie attackierte die Instrumente; sie schaltete den Autopiloten ab und stellte das Hovercraft auf manuelle Steuerung um. Der Gleiter rüttelte und schwankte, als er Ariele heftig zurückstieß.
Er mühte sich ab, das Hovercraft wieder unter Kontrolle zu bekommen, doch Ariele warf sich abermals gegen ihn und blockierte den Zugriff zum Armaturenpaneel. Er spürte, wie sie in gefährlichem Sturzflug nach unten sackten.
»Ariele!« brüllte er; in seiner Panik schlug er ihr mit der flachen Hand ins Gesicht. Sie fiel auf ihren Sitz zurück und wurde von den Beschleunigungskräften auf ihrem Platz gehalten, während sie steil auf das blaugrüne Wasser zurasten.
Verzweifelt schrie Reede dem Steuerungscomputer Befehle zu und riß mit aller Kraft an den manuellen Kontrollen, um den Absturz zu bremsen. Er war kein erfahrener Pilot und hatte sich bis jetzt immer von Berufsfliegern befördern lassen. Nun, da es zum Lernen zu spät war, verwünschte er seine Bequemlichkeit.
Plötzlich erspähte er eine ockergelbe Linie, ein Bild aus rostroten und grüngrauen Flächen tauchte vor ihnen auf; gerade noch rechtzeitig begriff er, daß sie Land überflogen.
Mit einem knirschenden Geräusch prallte das Hovercraft auf und kreiselte wild um sich selbst, ehe er über ein mit Felsbrocken übersätes Plateau rutschte. Ein Hain aus Baumfarnen bremste den Gleiter ab. Grünzeug regnete auf sie herunter und bedeckte den Sichtschirm.
Keuchend hing Reede in den Haltegurten seines Sitzes: Neben ihm bewegte sich Ariele, schüttelte den Kopf und gab wimmernde Protestlaute von sich. Jählings verstummte sie, als sie sich Reede zuwandte und sich eine Hand an die Wange legte. Zwischen den Fingern hindurch
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