Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
Vom Netzwerk:
Lebensspanne gesegnet würden. Alles spielte sich genauso ab, wie er es geplant hatte.
    Schatten verdüsterten seine aquarellfarbene Traumwelt. Plötzlich stürzten fremdartige, aber deutlich umrissene Gestalten aus großer Höhe hinab, breiteten ein Netz über seine Artgenossen aus, um sie einzufangen; sie sollten in die Tiefe gezogen und ertränkt werden, danach wollte man sie an Deck oder an den Strand ziehen, ihre schimmernden Kehlen aufschlitzen, ihr Blut ein-
    sammeln und dieses in eine perverse Kostbarkeit verwandeln; doch zusammen mit den Mers wurde deren Geheimnis zerstört.
    Aber ich hin ein Mensch,
schrie er, als das Netz sich wie eine Wolke über ihn senkte.
Kein Mer – ein Mensch!
Doch das hatte er selbst vergessen; es war ihm entfallen, daß er keiner von ihnen war, daß die See ihm den Tod bringen würde und nur darauf lauerte, ihn zu vernichten; er hatte sogar seine Angst vergessen. Er trug keinen Schutzanzug, keine Tauchmaske, kein Atemgerät spendete ihm Luft. Er war nackt und ertrank, ein lebender Leichnam, der zusah, wie sie ihm die Gurgel durchschnitten, und er ein zweites Mal in seinem eigenen Blut ertrank.
    Mit einem erstickten Schrei kam Reede wieder zu sich; Blut füllte seine Nase und seinen Mund, rann sein Gesicht hinab, weil Adern in seinem Kopf geplatzt waren. Hustend und würgend kippte er vornüber, während er krampfhaft nach Luft rang. Endlich hörte die Blutung auf. Er sank auf die Seite, außerstande, sich wieder hinzusetzen. Reglos lag er da, spürte, wie sich seine Muskeln verspannten und ihn langsam in eine Fötushaltung zwangen; nach und nach versagten seine Körperfunktionen, und die Folter wurde immer schlimmer. Wahnvorstellungen suchten ihn heim – Bilder von herzzerreißender Schönheit, köstlichster Leidenschaft, die dann umschlugen in qualvolle Alpträume. Dennoch war er dankbar für diese Phantome, denn sie lenkten ihn von der Wirklichkeit ab.
    Mit feurigen Speeren vertrieb die Morgendämmerung die hartnäckige Nacht aus dem Wäldchen; sie trieb glühende Nadeln in sein Fleisch, stemmte seine Augenlieder auf und forschte nach Anzeichen von Leben. Stöhnend blinzelte Reede durch zugequollene Augen in das Antlitz des neuen Tages. Staunend bemerkte er, daß Ariele neben ihm auf dem Boden lag und schlief. Er fragte sich, wie lange sie dort schon lag. Als er begriff,
    daß er nicht träumte, erfüllte ihn eine seltsame Euphorie und ein Gefühl des Friedens.
    Die Waffe. Wo ist die Waffe? In
blinder Panik stemmte er sich hoch; wie ein Tier knurrend, bewegte er seine im Krampf erstarrten Muskeln. Der Stunner befand sich noch an derselben Stelle, er selbst hatte nur daraufgelegen. Als er nach ihm greifen wollte, sah er seine Hand – schwarz und geschwollen, wie ein Klumpen verkohlten Fleisches, hing sie zitternd aus seinem Ärmel. Fluchend kniff er die Augen zu. Sein Körper fühlte sich schwammig an, er gab jedem Druck nach wie warmes Wachs. Bevor der Tag zu Ende ging, würde es sich in Fetzen von seinen Knochen schälen wie bei einem Leprakranken.
    Er öffnete die Augen, als Ariele sich neben ihm bewegte. Sie setzte sich hin, rieb sich das Gesicht und blickte hinaus aufs Meer; sie sah benommen aus, wie jemand, der aus einem Traum erwacht und feststellt, daß er immer noch träumt. Ihre Augen waren rot und verquollen, als hätte sie fast die ganze Nacht lang geweint.
    Langsam drehte sie sich um, nervös blinzelnd, bis sie ihn anschauen konnte. Sie sperrte den Mund auf und erstarrte; ihr Atem stockte, und ihr Gehirn war wie leergefegt, als sie seinen grauenhaften Anblick gewahrte. Es kam ihm vor, als starre sie ihn eine Ewigkeit lang an, ohne ein einziges Mal Luft zu holen, während sein gemarterter Körper unerbittlich ein- und ausatmete, in mühsamen, röchelnden Zügen. Endlich schöpfte sie Atem; vor Entsetzen und Kummer fing sie an zu schluchzen. »Bei der Herrin und allen Göttern!« flüsterte sie mit bebender Stimme. »Reede ...?« Es klang, als könne sie nicht glauben, daß er wirklich das Ding war, das vor ihr lag.
    Er nickte.
    Sie preßte sich die Hände gegen den Mund. »Unser aller Mutter, was ist passiert? Was ist das? Warum ...?«
    »... dich gewarnt ...«, keuchte er. »Das ist das Wasser des Todes.«
    Aus ihrer Kehle drang ein Laut, als durchlebe sie selbst seine Qualen. Endlich hatte sie begriffen.
    Er lächelte; ihr Grauen steigerte sich, als sie es sah.
    Mit veränderter Miene sprang sie auf die Füße. »Das kannst du nicht machen. Ich verständige

Weitere Kostenlose Bücher