Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt
Gundhalinu!« Sie drängte sich an ihm vorbei und griff nach der Tür des Hovercraft, während sie den Code rief, der die Verriegelung lösen sollte.
Er hangelte nach dem Stunner, hob ihn mit beiden Händen hoch und feuerte. Vor Schreck, Wut und Verzweiflung schrie Ariele auf. Hilflos streckte sie auf dem rötlichen Boden alle viere von sich, während sich die Luke des Hovercraft über ihr anhob wie eine Vogelschwinge.
Langsam drehte sich Reede um; er sah ihre Beine und ihren Rücken; ihr Gesicht war vor ihm verborgen, und sie konnte ihn nicht sehen. Er hörte sich selbst, wie er mit klagender Stimme sinnloses Zeug faselte, während eine Welle des Schmerzes nach der anderen ihn überrollte.
Ertrinken ... der Ozean ... die Mers ... ertrinken tut weh ... Tod ... Hilf mir, hilf mir, bitte, hilf mir doch ...!
Jemand kreischte in seinem Kopf, aber er wußte nicht, wer es war; der Gefangene brüllte ...
Vanamoinen!
Er schüttelte den Kopf, um die Gedanken zu klären. Wenn bei Ariele die Lähmung durch den Stunner abklang, wäre er nicht mehr in der Lage, sie daran zu hindern, Hilfe herbeizurufen.
Sie glaubte immer noch nicht, daß niemand sie vor der Quelle beschützen konnte. Verdammt möge sie sein, weil sie für ihn alles nur noch schlimmer, noch qualvoller machte! Warum hatte sie nicht auf ihn gehört? Er wollte einen sauberen Schlußstrich ziehen. Niemand sollte ihn in diesem jämmerlichen Zustand erwischen –und ausgerechnet sie mußte mitansehen, wie er kotzte, verrottete und krepierte – weil sie ihn liebte. Er ließ den Stunner fallen und faßte an seinen dröhnenden Schädel; als er die Hand wieder sinken ließ, hielt er einen Büschel seiner Haare zwischen den geschwollenen, brandigen Fingern. Lange starrte er darauf.
Eigentlich sollte er das Funkgerät zerstören; er mußte es sogar tun. Wenn er nur die Kraft dazu aufbrächte, könnte er hinterher in Ruhe den Tod abwarten. Einmal wäre mit allem Schluß ... mit seinen Qualen ... mit den Mers ...
Dann wäre alles vergeblich gewesen, nutzlos, ohne jeden Sinn ...
Irgendwie schaffte er es, sich mühsam hochzustemmen, die Laute ignorierend, die er von sich gab, während ein Höllenfeuer sein Fleisch zerfraß. Er kroch in die Pilotenkanzel, Blut spuckend, schluchzend, nichts sehend und an nichts denkend, ganz von seinen Schmerzen beherrscht. Endlich streckte er die Hand aus und tastete nach dem Funkgerät am Instrumentenpaneel. Als die Hand in sein Blickfeld geriet, sah er, daß an einem Finger der Knochen aus dem halbtoten Fleisch hin-durchstach.
Ohne sein Zutun zuckte seine Hand zurück, wie wenn er plötzlich von einem Marionettenspieler dirigiert würde. Und irgendwo in seinem zerschmetterten Gehirn triumphierte der Gefangene, der die Schlüssel in den Händen hielt.
Du bist mein Gefäß; du hast keine Wahl,
trumpfte DER ANDERE auf.
Ich muß weiterleben; ich muß weiterleben!
Der Schrei, den er aus Wut über den Verrat ausstoßen wollte, wurde erstickt. Mit brüchiger Stimme aktivierte er das Paneel, indem DER ANDERE Worte aus seiner Kehle preßte und sie zusammen mit Blut ausspuckte. Zweimal mußte er sich wiederholen, ehe die Instrumente ihn verstanden und reagierten.
»Jaakola ...«, flüsterte er ins Mikrophon, blutige Tränen weinend. »Ich habe sie. Ich tue alles, was du willst. Hilf mir ...!«
TIAMAT
Karbunkel
TIAMAT
Karbunkel
V ater aller meiner Vorfahren! Das können Sie nicht tun, BZ. Sie können die Jagd auf die Mers nicht auf Dauer nicht verbieten. Das wäre politischer Selbstmord!«
Gundhalinu blickte auf die Uhr, verließ seinen Computer-Schreibtisch, hinter dem er sich bis jetzt verschanzt hatte, und ging zur Tür. Vor dem Polizeikommandanten blieb er stehen. »Ich habe keine Wahl, Vhanu.«
»Die Richterschaft tobt. Das Zentrale Komitee verlangt ...«
»Ich weiß, was es verlangt«, entgegnete er ruhig.
»Man wird uns suspendieren. Die gesamte Regierung wird man auswechseln, wie ich Sie gewarnt habe!« Frustriert fuchtelte Vhanu mit den Händen.
»Von mir aus.«
»Weshalb tun Sie das?« fragte Vhanu. »Ich verstehe das nicht.«
»Die Mers wandern auf die Stadt zu – wie ich der Richterschaft bereits erzählte. Ganze Kolonien sind uns hilflos ausgeliefert. Und solange ich nicht weiß, aus welchem Grund diese Wanderung stattfindet, verbiete ich die Jagd.« Er wollte weitergehen.
»Weshalb,
will ich wissen, BZ!« Vhanu wechselte von Tiamatanisch in Sandhi über.
»Weshalb?
Ihr seid nicht mehr derselbe Mensch, mit dem ich
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