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Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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hierherkam. Was hat diese Welt mit Euch angerichtet? Ihr benehmt Euch wie ein Wahnsinniger!« Vhanu ergriff seinen Arm.
    »Ich habe keine Wahl«, wiederholte Gundhalinu, den Blickkontakt mit Vhanu meidend. »Und sprechen Sie bitte Tiamatanisch, NR. Ich habe Sie schon einmal darum gebeten.« Er befreite sich aus Vhanus Griff und schritt zur Tür.
    »Wohin gehen Sie?« fragte Vhanu, als Gundhalinu die Tür öffnete.
    »Ich muß eine private Angelegenheit erledigen.« Er hörte, wie kalt seine Stimme klang; doch er empfand nicht das geringste, ihm war, als seien Wut, Enttäuschung und Hoffnungslosigkeit mit einem Schlag in ihm gestorben, nichts als eine tödliche Kälte zurücklassend. Doch als er das Büro verließ, spürte er nicht einmal eine Anwandlung von Bedauern.
    Mit der Trambahn fuhr er die Straße hinunter, hinein ins Zentrum des Labyrinths. Die einstmals leeren Geschäfte waren angefüllt mit einheimischen und importierten Waren, die Gebäude glänzten in einem frischen Anstrich. Die Gegend sah anders aus, als er sie von früher her in Erinnerung hatte, doch im Schmuck vieler bunter Lichter und farbenfrohen Wimpel, mit Musikanten, Straßenkünstlern und Spielhöllen an jeder Ecke, war sie eine echte Augenweide.
    Als die interstellaren Reisen der Hegemonie noch von den Schwarzen Pforten abhingen, war Tiamat aufgrund seiner Nähe zu einem Schwarzen Loch ein Knotenpunkt und Zwischenhafen gewesen. Diese Bedeutung, aber auch den schlechten Ruf, den Tiamat damals genoß, würde der Planet wohl nie wieder erlangen, was nur von Vorteil war. Doch ohne Zweifel würde diese Welt von ihrer Zugehörigkeit zur Hegemonie profitieren, jedenfalls hatte er sich fest vorgenommen, dafür zu sorgen. Er hatte Tiamat nicht nur eine Zukunft, sondern auch Gerechtigkeit gebracht; er fand, er könne ruhig stolz darauf sein.
    Beim Aussteigen aus der Tram blickte er in ein Schaufenster; vor einem Hintergrund aus elektronischen Geräten spiegelte sich sein Gesicht. Rasch sah er wieder fort, denn plötzlich fühlte er sich genauso konturlos und leer wie sein Spiegelbild. So schwierig war es gar nicht gewesen, die Probleme auf Tiamat zu lösen; doch das eigentliche Problem, das es jetzt zu bewältigen galt, war verzwickter als alle anderen zusammengenommen. Mittlerweile wußte er, daß die möglichen Konsequenzen noch fürchterlicher waren, als er anfangs geglaubt hatte.
    Je länger er über das Versagen des Sibyllennetzes nachdachte, um so klarer wurde ihm, daß er die Symptome schon seit Jahren beobachtet hatte: immer mehr Antworten waren unverständlich oder sogar falsch. Er hatte veranlaßt, Angaben darüber zu sammeln, und erst Monate später erhielt er aufschlußreiche Resultate. Er hatte es kaum fassen können, wie viele Fälle von fehlerhaften Antworten es allein zu seinen Lebzeiten gab; und die Versagerquote stieg dramatisch an.
    Seine Recherchen hatten noch ein unerwartetes Ergebnis zutage gefördert, das er sogar noch beängstigender fand als die Fülle von verstümmelten oder verkehrten Antworten; die Sybillen selbst waren vom allmählichen Versagen des Netzes betroffen – sie schafften es nicht mehr, in den Transfer zu gehen, oder sie bekamen Anfälle. Erst in diesem Augenblick dämmerte ihm das wahre Ausmaß der Katastrophe, sollte die Sibyllenmaschinerie eines Tages gänzlich aufhören zu funktionieren; es ging nicht nur um den Fortschritt und den Komfort von Zivilisationen, die auf dem Wissensschatz des Netzes basierten, sondern Tausende, vielleicht sogar Millionen von Sibyllen, deren Geist und Körper als Neuronen in diesem gestirneumfassenden Bewußtsein dienten, waren in Gefahr. Wenn das Netz zusammenbrach, waren sie zum Tode oder zum Wahnsinn verurteilt!
    Flüchtig schaute er sein eigenes Kleeblattmedaillon an; ein flaues Gefühl machte sich in seinem Magen breit. Die Sibyllen waren die Träger einer Form von Smartmatter, wie die Mers auch. Desgleichen mußte die künstliche Intelligenz, die das Sibyllennetz kontrollierte, ebenfalls aus Smartmatter bestehen. Er hatte gesehen, was defekte Smartmatter aus World's End gemacht hatte; seine Mutter war durch Smartmatter ums Leben gekommen, weil sie in uralten Ruinen auf ein Depot gestoßen war, das dort lauerte wie eine Zeitbombe. Falls der Sibyllencomputer versagte, dann war es um Karbunkel geschehen. Die Stadt würde ausgelöscht werden, und an ihrer Stelle entstünde eine brodelnde, alptraumhafte Landschaft; wahrscheinlich wäre der gesamte Planet für Menschen nicht mehr

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