Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt

loszulassen. »In Ordnung. Jetzt können wir frei reden.« Niburu warf ihm einen verdutzten Blick zu, und er nickte bekräftigend. »Hier kontrolliere ich die Systeme«, erklärte er mit grimmiger Genugtuung. Das Labor war der einzige Ort, an dem er über ausreichend Computer und Programme verfügte, um seine Umgebung seinen Wünschen entsprechend zu manipulieren.
    Ariele rannte zu Dawntreader. Er kam ihr mit ausgebreiteten Armen entgegen; wie ein richtiger Vater, fand Reede. »Es geht dir gut«, wiederholte Dawntreader unentwegt, während sie murmelte. »Du kamst mich holen ...«
    »Es geht ihr
nicht
gut!« schnauzte Reede. »Ihr kommt zu spät, sie hat schon das Wasser des Todes genommen. «
    Entsetzt schaute Dawntreader hoch; sein Blick wanderte zwischen Reede und Ariele hin und her. »Dann sollte ich dich vielleicht lieber umbringen, anstatt dich zu retten ...«
    »Umbringen willst du mich?« höhnte Reede. »Ich bin bereits tot. Retten willst du mich? Sei doch kein Narr! Wenn du versuchst, einen von uns hier herauszubringen, bedeutet das für uns beide den sicheren Tod. Genausogut könntest du eine Waffe nehmen und uns erschießen. Selbst wenn du deinen Plan aufgibst und begreifst, daß du ungeschützt in die Hölle getappt bist, kommst du nicht mehr lebend hier hinaus. Vielleicht macht dich die Quelle auch zu seinem Leibeigenen, dann sind wir alle eine große, glückliche Familie ...« Er schlug mit der Faust auf den Tisch.
    Dawntreader zuckte zusammen. Er wandte den Blick von Arieles weißem, verzweifeltem Gesicht ab und starrte abermals Reede an. Langsam kühlte sich sein Blick ab. »Na schön«, murmelte er, »damit hatte ich gerechnet. Trotzdem fällt es mir schwer, mich zu beherrschen, das mußt du verstehen. Aber ehe du mich noch mal einen Narren nennst, hör mir zu. Ich weiß über das Wasser des Todes und alles andere Bescheid. Mittlerweile sind auch Mond und Gundhalinu eingeweiht. Gundhalinu kann die Droge für dich produzieren lassen, er kann dich beschützen und ist auch bereit, es zu tun ... wenn auch nur, um Arieles willen.« Er schaute Ariele flüchtig an und bekam nicht mit, wie Reede zynisch lächelte. »Ich bringe meine Tochter von hier fort. Kommst du mit?«
    Reede dachte an Gundhalinus verzweifelten Versuch, ihn für die Ziele der Goldenen Mitte zu gewinnen. Er überlegte, wie es wäre, wenn er anstatt von der Quelle von Gundhalinu abhängig würde. Ihm fielen die Mers ein. Dann runzelte er die Stirn und schottete sich gegen jeden Vorschlag, gegen jeden Hoffnungsschimmer, ab. »Du vergißt das Wichtigste: bevor wir Tiamat erreichen, sind wir längst tot. Die Reise dauert zu lange.«
    »Hast du eine Probe vom Wasser des Todes, die wir mitnehmen könnten?«
    »Ja.« Reede zuckte die Achseln. »Und wenn schon.« »Wir versetzen euch beide in einen Stasiszustand, bis wir die Droge selbst produziert haben.«
    »Und wie, zum Teufel, wollt ihr das tun?« Reede wurde wütend, weil Dawntreader sich nicht geschlagen geben wollte.
    »Wir kamen in einem Rettungsboot hier herunter, Boss«, erklärte Niburu. »Mit Hilfe der Notkammern halten wir euch in Stasis.«
    Reede sah ihn an. »Bei den Göttern ...«, murmelte er. Die Notkammern eines Rettungsboots, in dem man verletzte Passagiere unterbrachte, besaßen einen limitier ten Lebenserhaltungszyklus, doch der konnte genügen.
    »Hauptsache, wir verschwinden von hier«, warf
    Dawntreader ein. »Dann könnt ihr abwarten, bis Gundhalinu hergestellt hat, was ihr braucht.«
    »Ein glänzender Einfall«, gab Reede widerstrebend zu.
    »Die Idee mit den Rettungsbooten stammt von Niburu«, erwiderte Dawntreader.
    Reede schaute zu Niburu hin, der verlegen die Achseln zuckte. Plötzlich wurde ihm klar, was Niburu und
    Ananke riskiert hatten, als sie ihn hier aufsuchten und obendrein noch Dawntreader in die Zitadelle hineinschmuggelten. Und ihm dämmerte, daß sie es nicht für Ariele, nicht für Dawntreader und nicht aus Loyalität zur Hegemonie getan hatten; also blieb nur noch ein
    Grund übrig. »Ihr seid verrückt!« erklärte er mit rauher Stimme.
    Niburu fing schallend an zu lachen. »Man muß nicht unbedingt irre sein, um mit dir zusammenarbeiten, aber es erleichtert die Sache. Also, was ist, Boss? Machst du
    mit? Wir können es schaffen, von hier abzuhauen ... für immer.«
    »Und sobald wir auf Tiamat sind, hilft Gundhalinu
    uns weiter«, bekräftigte Dawntreader. Erwartungsvoll blickte er Reede an; Ariele stand neben ihm.
    »Ihr seid also fest