Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt
daß hinterher, wenn der Priester fertig war, alle Männer kommen und einen besteigen dürfen. Er erklärte auch, was die Priester mit den Mädchen anstellen, und wie sie sie verstümmeln, damit sie nicht einmal Vergnügen empfinden, weil das einer Frau nicht zusteht ...« Sie hob die Stimme und brach ab; Tränen strömten über ihr Gesicht, benetzten die Haut, auf der sich die Lichter der Instrumente in fremdartigen Mustern spiegelten.
Sie sah ihn nicht an, sie schaute nicht einmal hinaus in die Nacht; sie war blind – vor Tränen der Wut und Enttäuschung. »Als ich zu weinen anfing, lachte mein Bruder mich aus; er warf mich auf den Boden, beschimpfte mich als Hure und versuchte ... versuchte mich zu vergewaltigen. Aber ich zog mein Messer und schnitt ihm die Kehle durch. Dann stahl ich seine Kleider und lief weg. Von der Zeit an verkleidete ich mich als Junge, damit ich leben, arbeiten, ein Mensch sein konnte ... Ich dachte mir, eines Tages, irgendwo anders, könnte ich wieder ich selbst sein; aber das geht nicht, denn nirgendwo bin ich sicher, und jedesmal, wenn ich einen Mann ansehe und daran denke, daß ich eine Frau bin, bekomme ich Angst ...« Energisch wischte sie sich das Gesicht mit dem Ärmel ab; sie gab einen unterdrückten Laut von sich, es konnte ein Schluchzer, aber auch ein Schmerzensschrei sein.
Kedalion machte die Augen zu. Nach einer Weile öffnete er sie wieder und sah Ananke an. In einer tröstenden Geste streckte er die Hand nach ihr aus.
»Nein«, flüsterte sie und schüttelte den Kopf. »Faß mich nicht an, bitte, Kedalion.«
Er zog die Hand zurück. »Als ich noch ein Junge war lebte, sprangen wir häufig mit Gleitschirmen von den Klippen. Wenn man geschickt war, konnte man stundenlang in der Luft segeln, die Aufwinde benutzen wie ein Vogel. Die Stelzen – so nannten wir die großgewachsenen Bengel aus den anderen Dörfern – kamen auch und wollten es probieren; aber weil wir klein waren, konnten wir es immer am besten. Ein paar von den Großen waren eifersüchtig. Für sie zählte es nicht, daß sie schneller laufen, weiter springen oder uns das Leben am Boden schwer machen konnten ... Sie haßten es, uns in der Luft zu sehen.«
Er starrte hinaus auf die Sterne. »Eines Tages, als ich mit meine Gleitschirm flog, fing einer von den Stelzen an, mit dem Gewehr auf mich zu schießen. Der Hurensohn durchlöcherte meinen Schirm; der Stoff riß, und ich stürzte ab. Ich hatte schreckliche Angst; ich dachte, ich müßte sterben. Doch ich hatte noch mal Glück gehabt, ich landete nur hart und kam mit Abschürfungen, Prellungen und ein paar gebrochenen Fingern davon ... Aber ein paar von meinen Freunden hatten den Vorfall beobachtet; sie schnappten sich den Typ. Dann schnallten sie ihm meinen Gleitschirm um und stießen ihn von den Klippen. Er stürzte ab und brach sich fast sämtliche Knochen. Sie ließen ihn einfach liegen. Ich rief den Rettungsdienst ... Danach schwor ich mir, diesen Ort zu verlassen, und wenn es das letzte wäre, was ich täte.« Er schüttelte den Kopf. »Wenn man fortgeht, muß man sich darüber klarwerden, ob man seine Probleme zurückläßt, oder ob man sie mitnimmt ... « Er seufzte und sah sie an.
»Warum hast du den Rettungsdienst gerufen?« wollte sie wissen.
Er schaute zur Seite. »Ich sah die Gesichter meiner Freunde, als sie ihn über die Kante stießen; und ich hatte Angst, ich hätte denselben Gesichtsausdruck gehabt.«
Eine lange Zeit starrte sie ihn an, ohne etwas zu sagen; dann schaute sie schweigend an ihren Körper hinab.
»Es spielt keine Rolle«, sagte er schließlich. »Du arbeitest, du machst deine Sache richtig, und du beklagst dich nicht. Wenn du möchtest, dann bleibt alles beim alten. Dein Privatleben interessiert mich nicht, ich finde, es geht mich nichts an.«
Langsam hob sie den Kopf. »Und was ist mit Reede?« Er zuckte die Achseln. »Solange du deine Arbeit gut machst, geht es ihn auch nichts an.«
Mit verhülltem Blick, die Gesichtszüge gespannt, starrte sie ihn an.
»Sieh doch«, sagte er, »ich glaube, daß ich dich nach so langer Zeit ziemlich gut kenne. Ich weiß, daß ich dir vertrauen kann. Bedeutet dir das etwas? Hast du genug Vertrauen zu mir, um auch jetzt noch für mich zu arbeiten, obwohl ich Bescheid weiß?«
Sie lächelte schüchtern; doch dann überwand sie sich und reichte ihm zögernd die Hand.
BIG BLUE
Syllagong. Strafkolonie # 7
W ir sind da!«
Gundhalinu preßte das Gesicht gegen den schmalen
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