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Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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Fensterschlitz in der vibrierenden Wand des Transporters, als der Wächter ihre Ankunft meldete. Draußen bot sich immer noch dasselbe Bild, das er den ganzen Flug über gesehen hatte, wenn er alle paar Minuten nervös aus dem Fenster spähte: der Himmel glühte in einem trüben Purpurrot, wie ein gigantischer Bluterguß – die Farbe änderte sich nie, sie wurde weder heller noch dunkler, denn die Welt, die man Big Blue nannte, war in den Gezeitenströmen des Universums fixiert; die Strafkolonien, die sogenannten Schlacke-Camps, hatte man in der gerade noch bewohnbaren Zwielichtzone an der Grenze zur Nachtseite errichtet.
    Ein Leben im Halbdunkel.
Er wandte den Blick ab von der trostlosen, mit Schatten übersäten Landschaft, die auch immer gleich zu bleiben schien, wie der Himmel darüber. Jemand zwängte sich neben ihn und versuchte durch das Fenster zu spähen; Gundhalinu wurde in seinen Sitz zurückgedrückt.
    Die Schlacke-Camps. Bei allen Göttern ...
Einen Augenblick lang raubte ihm das Gefühl, schmählich verraten worden zu sein, fast den Verstand. Dahinter steckte der Survey, er erkannte die Handschrift der Goldenen Mitte, der Clique, die er als Oberster Richter auf Tiamat verprellt hatte. Man wollte ihn lebendig begraben; ohne Prozeß zu lebenslanger Haft verurteilt, erlaubte man es ihm jedoch nicht, die Strafe in einer gemäßigten Vollzugs-Institution zu verbüßen, womit er fest gerechnet hatte; aber aus einer humaneren Einrichtung heraus hätte er den Kampf um seine Rehabilitation weiterführen können. Statt dessen verfrachtete man ihn ohne Vorankündigung und ohne Erklärung durch die halbe Galaxis in diese Hölle. Er bezweifelte, daß man jemanden, der ihm nahestand, über seine Verlegung informiert hatte.
    Während er bei der Polizei diente, hatte er oft genug von den Schlacke-Camps gehört; dorthin schob man den Abschaum der Menschheit ab, die Verbrecher, die die Hegemonische Justiz für unbelehrbar und nicht resozialisierbar hielt.
Wie viele andere politische Gefangene mögen sich im Lauf der Jahrhunderte darunter befunden haben ?
Er wußte es nicht; er konnte sich nur ungefähr denken, wie lange die meisten von ihnen an diesem Ort überlebt hatten.
    Er war froh, daß er als ehemaliger Polizeioffizier wenigstens im Nahkampf ausgebildet worden war ... Es durfte nur niemand erfahren, wo er sein Training absolviert hatte. Ihm war bekannt, welches Schicksal Ex-Polizisten in dieser Kolonie drohte ...
    Er holte tief Luft, als sich der Mann neben ihm mit einem angewiderten Grunzen zurücklehnte. Um den speckigen Nacken des Kerls lag ein schwerer Kragen; Gundhalinu befingerte seinen eigenen
Block,
wie man diese Vorrichtung nannte, die den Gebrauch einer Energiewaffe unmöglich machte. Wenn man versuchte, einen Stunner abzufeuern, explodierte der Kragen und riß einem den Kopf weg. Das Kleeblatt hatte man ihm abgenommen, und statt dessen diesen Kragen umgelegt. Seine Finger krallten sich daran fest, als er merkte, wie der Transporter zur Landung ansetzte.
    Er schulterte den Rucksack mit der Überlebensausrüstung – die jetzt seine gesamte weltliche Habe war –, und ein Wächter befahl ihnen, auszusteigen. Das Gepäck war nicht sehr schwer. Alle Gefangenen trugen einen grauen Overall aus einem Material, das so steif und fest war wie Leder, und einen Parka mit Kapuze. Als die Rampe niederging, marschierte er mit den anderen hinaus, ohne auf ein Kommando zu warten; er wollte sich möglichst unauffällig verhalten. Der Wind war kalt und stank nach Schwefel; Asche wehte in seine Augen.
    Die Wächter schwärmten aus und bildeten einen Kreis um das ebenso waffenstarrende Schiff, damit niemand zu nahe herankam. Gundhalinu peilte die schemenhaften Gestalten an, die außerhalb des Rings dicht zusammengedrängt lauerten und auf ein Zeichen warteten. Hinter ihnen leuchtete, wie eine surrealistische Kulisse, die gigantische Scheibe des Planeten, den dieser Trabant umkreiste; der Gasriese, der der wirkliche Big Blue war. Sein Licht tauchte die mattlila Schwaden in der Atmosphäre in einen blauvioletten Glanz. Gundhalinu merkte, wie der Boden unter seinen Füßen plötzlich erbebte.
    »Fliegt jemand zurück?« brüllte ein Wärter; die Worte klangen sonderbar flach und tonlos, wie wenn die Öd- nis dieser Landschaft sie verschluckte. Doch hinter dem
    Ring aus Aufpassern ertönte das Geräusch schlurfender Schritte; ein Mann kam nach vorn gehinkt, er bewegte sich wie mit letzter Kraft. Das Gesicht war ausgemergelt,

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