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Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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Wasser des Todes weggenommen?«
    »Ja«, murmelte er ermattet.
    Sie warf Jerusha einen Blick zu. »Ob die Probe noch im Besitz der Polizei ist?«
    Jerusha zuckte die Achseln. »Vielleicht. Aber uns gibt man sie bestimmt nicht.«
    »Und wenn wir humanitäre Gründe geltend machen?«
    Jerusha lachte bitter. »Um das Leben eines Kriminellen zu retten, den du vor der Hegemonie beschützt? Unter den gegebenen Umständen hätten wir gar keine Chance.«
    »Schick einen Boten zu Vhanu, Jerusha!« befahl Mond. »Er soll ihm ausrichten, daß in der Stadt die Lichter wieder angehen, wenn er mir die Droge gibt ... ohne Fragen zu stellen.«
    Jerusha starrte sie an. »Ich dachte, mit diesem Blackout hättest du nichts zu tun.«
    »Habe ich auch nicht«, bekräftigte Mond.
    »Trotzdem kannst du dafür sorgen, daß die Energie wieder fließt?«
    Mond wandte den Blick von ihr ab und schaute in die finsteren Winkel der Halle der Winde. »Ja.«
    »Ich schicke sofort jemanden los«, erwiderte Jerusha verblüfft. »Herrin.« Sie verbeugte sich und verließ eilig den Saal.
    Mond schenkte ihre Aufmerksamkeit wieder Merovy und ihren Eltern, die dastanden wie Trauernde auf einer Beerdigung. »Clavally, Dana, helft ihr mir, Reede auf ein Bett zu legen? Ich will es ihm so bequem wie möglich machen.« Sie nickten, zweifelnd, skeptisch, während sie ihre zitternde Tochter umarmten. »Merovy«, sagte Mond ruhig, »du hast eine medizinische Ausbildung.
    Kannst du vielleicht etwas für Reede tun? Er leidet schreckliche Schmerzen.«
    Merovy blinzelte; in ihr weißes, starres Gesicht trat ein Hauch von Farbe, und einen Augenblick lang glaubte Mond, das Mädchen würde ihr Ansinnen zornig ablehnen. Doch Merovy drehte sich um, zwang sich dazu, Reede anzuschauen, und in ihrem Gesicht arbeitete es. »Ja«, sagte sie schließlich, kaum hörbar, mit gesenkten Lidern, die Hände gegen den Leib gepreßt.
    Reede hob den Kopf und beobachtete argwöhnisch ihr Näherkommen. Doch er sträubte sich nicht, als man ihn die breite, geschwungene Treppe hinaufhievte und in das Innere des Palastes führte.
    Mond sorgte dafür, daß er in ein Bett kam. Sie wischte ihm mit einem kühlen Tuch das Erbrochene und Blut vom Gesicht. Dann sah sie zu, wie Merovy ihn provisorisch mit den medizinischen Mitteln versorgte, die sie zur Hand hatten. Während Merovy arbeitete, entspannten sich ihre Züge, und sie bewegte sich immer ruhiger und sicherer, als ob die körperliche Berührung des Kranken sie zwänge, Reede als ein menschliches Wesen zu akzeptieren.
    Reede lag da, die Augen geschlossen, flach atmend, als ob er das Bewußtsein verloren hätte. Doch an seinen verkrampften Muskeln und den weißen, geballten Fäusten erkannte Mond, daß er lediglich versuchte, die Menschen zu ignorieren, die Zeugen seiner Qualen wurden.
    Nachdem alles für Reede getan worden war, um sein Leiden zu lindern, ließ Mond ihn in der Obhut der anderen und ging durch den dämmrigen Palast zurück in die Halle der Winde. Als sie den schmalen Steg über der Grube betrat, spürte sie den Lockruf des Sirenenlichts, In ihrem Geist hallte nur das schwache Echo des bunten, prunkvollen Glanzes nach, der sich ihrem Gedächtnis eingeprägt hatte, dennoch fingen ihre Sinne vor Sehnsucht an zu vibrieren.
Die Herrin...
    Tief sog sie den Duft des Meeres ein, der ihr an diesem Ort entgegenströmte; er ermahnte sie ständig an die Präsenz einer unsichtbaren Kraft, an die sie während ihrer Jugendzeit auf den Inseln bedingungslos geglaubt hatte. Für sie hatte der Ozean eine Gottheit verkörpert, die durch den Mund jeder Sibylle sprach, IHRE Weisheit jedoch nur den Sommerleuten gewährte, IHREM auserwählten Volk.
    Dieser Glaube wurde zerstört, als ihre Religion mit der Kultur der Außenweltler zusammenprallte und sie deren profunderes, raffinierteres Netz aus Wissen und Täuschung kennenlernte. Sie hatte die scheinbare Wahrheit über das Sibyllennetz erfahren und im selben Augenblick ihre Unschuld verloren. Seit der Zeit existierte die Herrin für sie nicht mehr, außer als leerer, formelhafter Begriff in Flüchen; und jedesmal, wenn sie der Glaubensstärke bedurft hätte, empfand sie ein Gefühl des Verlustes.
    Doch nun hatte sie endlich die höhere Wahrheit erkannt, die sich in der zynischen, selbstbetrügerischen Realität der Außenweltler verbarg. Die Intelligenz, die das Sibyllennetz steuerte, war keine übernatürliche Macht, sondern ein System, das zwar nicht menschlich war, aber dennoch von menschlichen

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