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Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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gerüttelt wurde – heftig – und dann nichts mehr.
    Wieder allein, fühlte er, wie die See sein Kinn mit einer kalten Gier küßte, wie wenn er der auserwählte Liebhaber des Todes wäre ... und der Tod wurde langsam ungeduldig. Heiße Tränen rannen über sein Gesicht, tropften in seinen Mund; sie schmeckten salzig, wie das Meer. Er weinte, als die See anschwoll und ihm die Tränen abwischte.
    »Hallo!«
    Der Laut reichte zu ihm herunter, wurde von den Felswänden zurückgeworfen ... das bizarre Gekreisch von Vögeln oder die fernen Stimmen der Mers. Doch er hob das Gesicht dem Himmel entgegen und stierte ins Licht. Unverhofft schlug eine Welle über seinem Kopf zusammen, er schluckte Wasser und hustete.
    ... dir helfen .. .«
    Dieses Mal war er sich sicher, daß er richtig gehört hatte; eine helle, klare Stimme rief ihm auf Tiamatanisch etwas zu. Er schüttelte den Kopf, um den Blick zu klären, und dann sah er die Gestalt einer Frau. Wie eine unwirkliche Silhouette hob sie sich gegen den hellen Hintergrund ab und spähte vom Rand des Felsabsturzes. zu ihm herunter. Sie schien ganz aus Licht zu bestehen, ein unglaublich heller Glanz hüllte sie ein. Die Tiamataner nannten die See eine Göttin, die Mutter,
die Herrin, die gibt und nimmt ...
    »Hilf mir«, keuchte er auf Trade und dann auf Tiamatanisch. »Bitte, hilf mir ... Es tut mir leid ... Verzeih mir ... Rette mich ...«
    »Ich komme hinunter« rief sie. »Ich komme ...« Die strahlende Vision einer weiblichen Gestalt wurde plötzlich Wirklichkeit, als sie sich bewegte und das Tageslicht abwechselnd blockierte und wieder in den Schacht hereinließ. Während sie behende die steilen, tückischen Tunnelwände herabkletterte, beobachtete er ihre bloßen Füße und ihre muskulösen, hellen Beine. Schließlich kniete sie über seinem Kopf auf einem Felssims nieder; der kalte Stein drückte gegen ihre im Licht irisierenden Schultern, und ihr silbernes Haar zerspleißte das Licht. Sie beugte sich vor und streckte die Arme nach ihm aus.
    Die nächste Welle schwappte über seinen Kopf hinweg, füllte seine Augen und den Mund mit Wasser; er rang nach Luft, würgte und spuckte aus.
    Ihre Hände umklammerten die seinen, er spürte ihr warmes, festes Fleisch, das seine vor Kälte abgestorbenen Finger berührte. »Es wird alles gut werden«, sagte sie, als er wieder zu schluchzen begann. »Keine Angst, ich hole dich hier heraus.« Ihre Hand streichelte flüchtig sein Gesicht.
    »Ich bin eingeklemmt«, sagte er mit einer Stimme, die ihm selbst fremd vorkam. »Ich stecke fest, ich kann mich nicht bewegen.«
    »Vielleicht kann ich dich an den Händen soweit herausziehen, daß du das Sims erreichst.« Wieder umfaßte sie seine Hände; er biß die Zähne zusammen, als sie sich langsam auf dem schmalen Felsband aufrichtete und an seinen Armen zog. Der Zug wurde stärker, und er schrie, als er die Schmerzen in den Schultern nicht mehr ertragen konnte.
    Sie sank auf die Knie, ohne seine Hände loszulassen. »Bist du verletzt?«
    Krampfhaft klammerte er sich an sie. »Ich schaff es nicht.« Er spuckte Wasser, hustete und atmete tief die nach Ozean riechende Luft ein. »Brauchst ... brauchst ein Seil. In meinem Rucksack ...«
    Er spürte, wie sie ihre Stellung veränderte und an seiner Schulter vorbeifaßte. »Ich komme an deinen Rucksack nicht heran.«
    »O Götter!« stöhnte er, ohne zu wissen, in welcher Sprache. »Nicht so ...«
    »Wir holen dich hier heraus«, erklärte sie resolut. »Wir schaffen es schon! Silky!« rief sie und stieß eine Reihe von sonderbaren Trillern und Schnalzlauten aus.
    Die Laute waren ihm unverständlich – dennoch rührten sie etwas in seinem Innern an, das heftig reagierte und antworten wollte. Er öffnete die Augen und merkte erst jetzt, daß er sie geschlossen hatte. Als er den Kopf drehte und ihrem Blick folgte, sah er zu seiner Überraschung des Gesicht des Mers dicht neben sich im Wasser. »Nein!« brüllte er. »Nein!«
    »Laß dir von ihr helfen!« forderte ihn die Frau auf. »Wir wollen dir doch nur helfen. Laß uns ...«
    Mit brennenden Augen sah er zu ihr hinauf.
    »Du bist eingeklemmt. Sie wird dich von unten hochschieben, wenn es geht. Hast du verstanden? Halt durch, mach dich bereit!«
    Er nickte, als der Mer untertauchte. Dann fühlte er, wie sich zu seinen Füßen etwas bewegte; probehalber stieß der Mer seine Beine an, wie er es bereits zuvor getan hatte. Er zwang sich dazu, die Beine stillzuhalten, obwohl alles in ihm danach

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