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Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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Vorurteile«, erklärte Gundhalinu achselzuckend. »Aber wenn die soziale Herkunft stimmt, dann würden die meisten Kharemoughis, die ich kenne, kein Wort darüber verlieren, was Erwachsene miteinander tun – vorausgesetzt, es geschieht diskret. Liebesbezeigungen in der Öffentlichkeit gelten als geschmacklos. Hingegen hat Jerusha PalaThion mir erzählt, daß man auf Newhaven wegen des heißen Klimas beinahe nackt herumläuft. Auf Kharemough wäre eine Zurschaustellung von Fleisch und allem, was mit Sinnlichkeit zu tun hat, unmöglich.«
    Tammis riß die Augen auf. Daß Jerusha PalaThion einstmals halbnackt herumgelaufen sein sollte, auch wenn im Kindesalter, überstieg sein Vorstellungsvermögen.
    »Jerusha pflegte zu sagen, sie würde sich nie an die Kälte hier gewöhnen. Und ich dachte immer, ich könnte mich nie an die Gesichter der Tiamataner gewöhnen – an diese blassen, kühlen Augen.« Er schaute Tammis an, der dieselben warmen, dunkelbraunen Augen hatte wie er.
    Tammis winkelte die Beine an und zog die Füße in dem weichen Schuhwerk auf das Sitzpolster. »Aber ich lebe nicht auf jenen Welten – ich lebe hier! Und die Menschen, die ich liebe, und mit denen ich zusammen bin, verabscheuen meine Veranlagung – angeblich billigt die Herrin sie auch nicht.«
    »Nur weil du ein Einzelfall bist, heißt das noch lange nicht, daß du Unrecht tust.«
    Tammis preßte die Lippen aufeinander. »Sie haben gut reden.«
    Gundhalinu lachte. »Als ich damals Tiamat verließ, war ich ein Ausgestoßener.« Er befingerte sein Sibyllenabzeichen. »Was deine Verurteilung durch andere Menschen betrifft: Du trägst das Kleeblatt der Sibyllen. Einen gestrengeren und unparteiischeren Richter als eine Initiationsstätte für Sibyllen gibt es nicht. Wenn du erwählt wurdest, spricht das nur für deinen guten Charakter. Auf Kharemough muß jedes Kind aus einer Technikerfamilie einmal im Leben eine Weihestätte aufsuchen, um sich dort beurteilen zu lassen. Als Junge hatte ich solche Angst, für unwürdig befunden zu werden, daß ich lieber meine Familie anlog und behauptete, ich hätte die Prüfung nicht bestanden, als tatsächlich hinzugehen und bescheinigt zu bekommen, ich sei zu schwach oder zu labil, um ein Sibyl zu werden.«
    »Aber wie kommt es dann ...?« Tammis deutete auf Gundhalinus Kleeblatt, während er das eigene berührte.
    »Diese Geschichte erzähle ich dir ein anderes Mal. Gundhalinu lächelte. »Sie zeigt dir, daß Sibyllen keine Heiligen sind. – Weißt du, wer Vanamoinen und Ilmarinen waren?«
    Tammis schüttelte den Kopf.
    »Du solltest es aber wissen. Sie gründeten das Sibyllennetz, das allen unseren Welten seit dem Untergang des Alten Imperiums gedient hat. Diese beiden Männer waren Liebende, und ich erinnere mich noch, daß gerade ihre Liebe zueinander sie in dem Glauben bestärkte, sie könnten in einer hoffnungslosen Situation noch etwas retten ... Einer von ihnen, Ilmarinen, wird seit Jahrhunderten als der Gründer unseres Geschlechts verehrt.«
    Tammis blickte zur Seite. »Aber das bedeutet doch ... Liebte er sowohl Frauen wie Männer?«
    Gundhalinu zuckte die Achseln. »Ich weiß nur, daß er eine Lösung fand. Du mußt auch einen Weg aus deinem Dilemma finden. Aber wenn du eine Stärkung deines Selbstvertrauens nötig hast, dann brauchst du nur dein Kleeblattabzeichen anzuschauen. Denk daran, was Sibyllen für dein Volk bedeuten, und warum dies so ist.«
    Tammis seufzte und streckte wieder die Beine aus, wie wenn endlich eine innere Anspannung von ihm abfiele. »Aber ...« Seine Finger trommelten auf der hölzernen Armstütze des Sessels. »Aber Merovy ...«
    »Was ist mit ihr?« fragte Gundhalinu.
    »Sie hat mich hinausgeworfen.«
    »Weil du dich mit anderen Männern abgibst?«
    Tammis nickte. »Ich kann nicht anders. Ich will es ihr nicht antun; aber dann fange ich an, über die Sache nachzudenken, bis ich mich selbst verabscheue; und je mehr ich mich verachte, um so stärker wird der Wunsch ...«
    »Begehrst du auch manchmal eine Frau?«
    »Doch, ja, das kommt vor.«
    »Genauso sehr wie einen Mann?«
    Tammis nickte. »Aber sie sind nicht Merovy, und deshalb kann ich mich beherrschen. Denn ich liebe sie, und noch nie habe ich einem Menschen so nahegestanden. Deshalb habe ich sie ja auch geheiratet.«
    »Und hattest du dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit auch schon mal bei einem Jungen oder einem Mann?«
    »Nein, noch nie. Geliebt habe ich immer nur Merovy. «
    »Wieso kannst du dich dann nicht

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