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Tief atmen, Frau Doktor!

Tief atmen, Frau Doktor!

Titel: Tief atmen, Frau Doktor! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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gedeckt, in das die Namen berühmter Schiffahrtslinien eingraviert waren, die einst das Britische Weltreich umspannt hatten. Mr. Windows trug einen frisch gestärkten weißen Kittel, das Serviertuch sauber über dem Oberarm gefaltet und ging um den Tisch.
    »Eine Schnitte Sara, verehrte Damen?« sagte Mr. Windows einladend, die Serviette über dem Oberarm gefaltet. Sie starrten ihn an. »Schinken«, erklärte er und legte vom Silbertablett vor. »Die Sau von Dr. Fellows-Smith hat schließlich den Geist aufgegeben, das arme Tier. Er überfuhr sie irrtümlich mit seinem Traktor. Das Leben ist wirklich sonderbar. Sagten Sie Dornröschen, Doktor?« Fay nickte. »Das ist sonderbar. Es war ihr Lieblingsmärchen.«
    »Wessen Lieblingsmärchen?« fragte Fay.
    »Von Dr. Fellows-Smith Tante Klara. Kein Wunder, daß Ihre Zimmer oben ein bißchen feucht sind. Sie sind nicht gelüftet worden, seitdem sie darin gestorben ist.«
    »Woran?« Lucy war fasziniert.
    »An einer schleichenden Krankheit, Doktor. Ich nehme an, es war die Niere.«
    »Ich hege ernste Zweifel«, sagte Lucy, nachdem er das Zimmer verlassen hatte. Sie hatte ein tabakbraunes, eingefaßtes Jerseykostüm gewählt, nachdem sie genauso angestrengt über die Ansprüche nachgedacht hatte, die Mitrebury an die Schneiderkunst stellte, wie an die, die es an die Ärzte stellte.
    »Warum? Wir können es ein paar Monate probieren.« Fay trug einen leuchtenden indischen Rock, eine einfarbige Bluse und ihr Stirnband. »Es könnte doch aufregend und lustig werden. Im Vergleich zu einem Vogelschutzgebiet auf den Äußeren Hebriden.«
    »Vor sechs Monaten noch«, sagte Lucy mit tragischer Miene, »glaubte ich, ich hätte eine Liebesehe, eine befriedigende Karriere, intellektuelle Kameradschaft und genetisch erfüllende Mutterschaft vor mir.«
    »Ich habe nie verstanden, was Roddy an dir fand.« Fay war beim Frühstück nie sehr verständnisvoll.
    »Ach, du bist immer so nüchtern, wenn es um Männer geht.«
    »Ich bin nüchtern, wenn es ums Ausgehen, um Theaterbesuche oder um den Urlaub geht. Warum nicht auch im Hinblick auf meine anderen Vergnügungen? Habe ich dir je erzählt, daß dein geliebter Roddy einmal versucht hat, mich herumzukriegen?«
    »Was!«
    »Das war damals, als wir gemeinsam das Unfallpraktikum absolviert haben.«
    »Was ist passiert?« fragte Lucy nervös.
    »Wir hatten zu viel zu tun. Du weißt ja, wie das Unfallpraktikum ist.«
    »Vielleicht war Roddy wirklich nicht der Hellste«, gab Lucy zu. »Er hätte niemals seine letzten Prüfungen bestanden, wenn ich ihm nicht im Bett Nachhilfe erteilt hätte.
    Seine Atmung war furchtbar schwach und sein Stoffwechsel praktisch nicht vorhanden. Ich glaube, wir haben uns wirklich sehr viel gestritten«, überlegte sie zärtlich.
    »Natürlich. Du bist ein streitsüchtiger Typ.«
    »Das bin ich nicht!«
    »Doch.«
    »Ganz und gar nicht!«
    »Jeder im St. Bonifaz-Krankenhaus nannte deinen geliebten Roddy den >Stalaktiten<.«
    Lucy sah erstaunt aus. »Warum?«
    »Weil er steif wie ein Eisblock herumhing.«
    Brausende Orgelmusik tönte aus dem Wartezimmer. Sie blickten einander entsetzt an.
    »Glaubst du, wir werden den Dom-Chor auch behandeln müssen?« fragte Lucy beunruhigt. »Ich kenne mich beim Kehlkopf absolut nicht aus.«
    Mr. Windows hatte den Deckel eines transportablen Schiffsharmoniums zurückgeklappt, das am unteren Ende der Treppe stand, und sang Ein feste Burg ist unser Gott.
    »...groß' Macht und viel List sein grausam' Rüstung ist, ein Geschenk von den vormaligen Herren Doktoren«, unterbrach er sich. »Für meine Dienste an der Menschheit. «
    »Mr. Windows«, fragte Lucy entschlossen, »wieviel verstehen Sie eigentlich wirklich von der Medizin?«
    »Der Bordsteward des Schiffsarztes hat mir eine Menge über unseren Beruf beigebracht. Von Frostbeulen bis zur Beulenpest alles«, verkündete er würdevoll. »Was die Behandlung von Notfällen betrifft, so erinnere ich mich an einen Christtag vor Hongkong, als ein chinesischer Steward während des Essens mit dem Tranchiermesser Amok lief. Schnitt einem Passagier das Ohr ab. Es fiel dem Kapitän in die Suppe. Das war vielleicht komisch.«
    »Sehen Sie sich das an, Mr. Windows.« Unbeeindruckt von seinen Erinnerungen zeigte Lucy ihre Handfläche vor, die vom Berühren des Treppengeländers staubig war.
    »Und dieser Hirschkopf muß unhygienisch sein wie eine streunende Katze«, beschwerte sich Fay.
    »Der alte Tiberius schadet niemandem.« Mr. Windows fuhr mit

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