Tief atmen, Frau Doktor!
auf, und ein Mann in einem grünen Overall und mit einer leuchtendroten Nase und mehreren Flaschen im Arm trat ein.
»Die wöchentliche Getränkebestellung«, verkündete er fröhlich. »Ich hoffe, die neuen Doktoren werden diesen geschätzten Brauch beibehalten?«
»Das genügt, um eine Kneipe zu eröffnen«, rief Lucy entsetzt. »Das werden wir auf keinen Fall tun.«
»Die früheren Herren Doktoren schätzten ihre Hausmittel durchaus«, klärte Mr. Windows sie auf. »Guten Morgen, Mr. Shelburne«, begrüßte er einen Mann im dunklen Anzug, der in der Tür stand.
»Habe ich die Ehre, mit den Erben der Praxis zu sprechen?« Mr. Shelburne setzte ein Lächeln auf. »Ich komme
nur vorbei, um Ihnen zu versichern, daß ich immer zu Ihrer Verfügung stehe, falls irgend etwas schiefgehen sollte.«
Lucy blickte verdutzt, als er ihr eine Karte überreichte. »Wir sind die am längsten etablierten Leichenbestatter von Mitrebury. Durch einen glücklichen Zufall haben wir im selben Jahr angefangen wie diese Praxis, zu der wir seit eh und je in einem für beide Teile zufriedenstellenden Verhältnis stehen. Wir bemühen uns, genauso gut für Ihre Patienten zu sorgen wie Sie.«
»Zumindest können Sie überzeugt sein, daß sie sich nicht krankstellen« , sagte Fay sarkastisch.
»Unsere Gebühren sind äußerst konkurrenzfähig, da wir unser Augenmerk stets auf Unkosten richten«, versicherte er und blickte mit feierlicher Miene himmelwärts. »Wenn ich schon hier bin, Doktor -« Er streifte seinen Ärmel zurück. »Vielleicht könnten Sie meine Dermatitis kurz ansehen? Dr. Hill meinte, es sei eine Berufskrankheit.«
»Könnten Sie etwas gegen meine rote Nase unternehmen?« fragte der Lieferant Fay, während Mr. Windows die Flaschen im Notkoffer verstaute. »Die früheren Herren Ärzte zerbrachen sich den Kopf darüber. Es ist peinlich, da ich fast keinen Alkohol anrühre.«
»Mitten im Wartezimmer kann ich gar nichts für Sie tun«, sagte sie zu ihm.
»Juckt es?« fragte der Lieferant den Leichenbestatter neugierig. »Wissen Sie, meine Nase glüht sozusagen. An einem kalten Morgen, sagt meine Frau, kann man sich die Hände daran wärmen.«
»Bitte nehmen Sie beide Platz«, ordnete Lucy ungeduldig an. Das Telefon läutete.
8
»Hallo?« sagte Lucy ins Telefon. »Hier ist der Doktor. Wo steckt ihr kleines Kind und brüllt wie am Spieß? Das ist Aufgabe der Feuerwehr, nicht der Ärzte. Haben Sie denn keine Säge? - Nein, nicht Gehege«, fuhr sie ungeduldig fort. »Ich meine eine Säge, zum Sägen.«
Sie wandte sich um und sah, wie die Flut der Patienten mit ihren Kindern, Kinderwagen, Einkaufstaschen und Hunden in den Warteraum hereinströmte.
»Komisch, weshalb manche Leute den Doktor anrufen«, sann Mr. Windows. »Kaum zu glauben, aber vorige Woche steckte eine Frau mit der Hand im Staubsauger. Nicht im Traum kam ihr die Idee, den Strom abzuschalten. Es war wirklich zum Lachen.«
»Kommen Sie weiter, nehmen Sie auf den Bänken Platz«, wies Lucy die Patienten an. »Wer ist der erste?«
»Ich«, riefen alle. - Das Telefon klingelte.
Fay nahm den Hörer ab. »Hier ist der neue Arzt. Die Oma ist schon wieder verrückt geworden? Nur anders? Aber wie soll ich wissen, wie verrückt sie diesmal ist, wenn ich nicht weiß, wie verrückt sie letztesmal war? Damals war sie so verrückt wie zu Weihnachten? Aber ich war doch zu Weihnachten nicht hier, oder? Und jetzt ist sie so verrückt wie damals in Benidorm? Aber damals war ich ja auch nicht da. Wo wohnen Sie? Ich komme vorbei.« Das Telefon klingelte abermals, während sie die Adresse schnell notierte. »Nehmen Sie das Gespräch entgegen«, beauftragte sie Mr. Windows.
»Haben wir keinen Terminkalender?« fragte Lucy ihn verzweifelt.
»Nein, die vormaligen Ärzte hießen sie einfach Platz nehmen. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.« Er sprach weiter in den Hörer: »Zwei Uhr dreißig in Sandown? Der zweitplazierte Favorit? In Ordnung, ich hab's schon -«
»Wo sind die Krankengeschichten, Mr. Windows?« fragte Fay, dem Wahnsinn nahe und völlig verzweifelt.
»Kartei? Nein, große Schreiberlinge waren die früheren Herren Doktoren nicht. Sie haben ein so gutes Gedächtnis gehabt. Das erste Rennen in Newmarket?« nahm er das Gespräch wieder auf. »Pip-Pip, ein todsicherer Tip.«
»Soll das heißen, es gibt keinen einzigen Vermerk über irgendeinen Patienten?« fragte Lucy in panischem Schrecken.
»Da fällt mir ein, Frau Doktor, in Dr. Hills alter Blechkiste von
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