Tief im Herzen: Roman (German Edition)
Element zu sein«, bemerkte er, dann grinste er, als sie den Kopf wandte und ihn vorwurfsvoll ansah. »Ich sage nicht, daß es Frauenarbeit ist. Meine Mutter hätte mir für solche
Gedanken den Kopf abgerissen. Ich sage nur, daß Sie anscheinend wissen, was Sie tun.«
Da sie sich das College damit verdient hatte, die Häuser anderer Leute zu putzen, wußte sie es nur zu gut. »Ich kann mit Schrubbern umgehen, Mr. Quinn.«
»Da Sie meinen Küchenfußboden aufwischen, sollten Sie lieber Cam sagen.«
»Apropos Seth …«
»Ja, apropos Seth. Macht es Ihnen was aus, wenn ich mich setze?«
»Nur zu.« Sie mußte sich zusammennehmen, um nicht zu summen. Die monotone Arbeit und der Regen draußen waren einfach eine Spur zu entspannend. »Sie wissen ja sicher, daß ich gestern mit ihm gesprochen habe.«
»Ja, und ich weiß, daß er Ihnen gesagt hat, daß er hierbleiben will.«
»Richtig. Das steht auch in meinem Bericht. Ich habe auch mit seinen Lehrern gesprochen. Was wissen Sie über seine schulischen Leistungen?«
Cam rutschte hin und her. »Ich hatte noch nicht genug Zeit, um mich darum zu kümmern.«
»Hmmm. Als er dort anfing, hatte er ein paar Probleme mit anderen Schülern. Faustkämpfe. Einem Jungen hat er die Nase gebrochen.«
Alle Achtung, dachte Cam mit einem überraschenden Anflug von Stolz, aber er gab sich alle Mühe, ein mißbilligendes Gesicht aufzusetzen. »Wer hat angefangen?«
»Darum geht es nicht. Jedenfalls hat Ihr Vater die Sache geregelt. Im Augenblick, so hat man mir gesagt, bleibt Seth meistens für sich. Ein weiteres Problem ist, daß er sich nicht am Unterricht beteiligt. Er gibt nur selten Referate ab, und wenn er sich schon dazu herabläßt, dann sind sie zumeist nachlässig hingeschmiert.«
Cam spürte, daß sich neue Kopfschmerzen ankündigten. »Also ist der Kleine kein Gelehrter …«
»Ganz im Gegenteil.« Anna richtete sich auf. »Wenn er sich nur hin und wieder am Unterricht beteiligen würde,
und wenn er die Referate pünktlich abgeben würde, dann hätte er lauter Einser. So hat er einen Durchschnitt von einer guten Zwei.«
»Also wo liegt das Problem?«
Anna schloß kurz die Augen. »Das Problem ist, daß Seths Intelligenzquotient hoch und seine Testwerte unglaublich gut sind. Der Junge ist hochbegabt.«
Obgleich er da seine Zweifel hatte, nickte Cam. »Na, das hört sich ja gut an. Obendrein hat er anständige Zensuren und hält sich aus Schwierigkeiten raus.«
»Na schön.« Sie mußte es mit einer anderen Taktik probieren. »Stellen Sie sich vor, Sie nehmen an einem Formel-Eins-Rennen teil …«
»Ist bereits geschehen«, sagte er in wehmütiger Erinnerung.
»Gut, und Sie haben den tollsten, schnellsten, heißesten Wagen des Rennens.«
»Ja.« Er seufzte. »Den hatte ich.«
»Aber Sie haben nie sein gesamtes Potential ausgeschöpft, Sie haben nie voll aufgedreht, Sie haben nie in den Kurven Gas gegeben oder in den fünften Gang geschaltet und auf den Geraden alles aus ihm herausgeholt.«
Er hob die Brauen. »Interessieren Sie sich überhaupt für Rennen?«
»Nein, aber ich habe einen Wagen.«
»Und einen hübschen dazu. Wie schnell sind Sie schon damit gefahren?«
Hundertdreißig, dachte sie insgeheim erfreut, doch das würde sie niemals zugeben. »Autos sind für mich Fortbewegungsmittel«, log sie skrupellos, »kein Spielzeug.«
»Es gibt keinen Grund, warum Sie nicht beides sein können. Wie wär’s, wenn ich Sie mal in dem Corvette spazierenfahre? Das ist ein tolles, amüsantes Fortbewegungsmittel.«
Sie wollte sich nicht der Fantasie hingeben, am Steuer dieses schnittigen weißen Flitzers zu sitzen, sie wollte auf etwas Bestimmtes hinaus. »Bleiben Sie doch bitte mal bei
dem Bild. Sie nehmen in einer Supermaschine an einem Rennen teil. Wenn Sie den Wagen nicht so fahren, wie er gefahren werden sollte, dann verschwenden Sie sein Potential. Vielleicht würden Sie trotzdem viel Geld kriegen, aber Sie würden nicht gewinnen.«
Er verstand, was sie meinte, mußte jedoch grinsen. »Normalerweise habe ich immer gewonnen.«
Anna schüttelte den Kopf. »Seth«, sagte sie mit bewundernswerter Geduld. »Wir sprechen von Seth. Er ist sozial unterentwickelt, und er erkennt keine Autorität an. Er wird regelmäßig vom Unterricht ausgeschlossen. Deshalb muß er zu Hause beaufsichtigt werden, was die Hausaufgaben betrifft. Sie werden eine aktive Rolle bezüglich seiner schulischen Leistungen und seines Verhaltens übernehmen müssen.«
»Mir scheint, man
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