Tief im Herzen: Roman (German Edition)
Nähe.«
»Himmel, Cam, wo in der Nähe? Du solltest ihn doch im Auge behalten.«
»Ich habe ihn den ganzen Tag im Auge behalten. Er ist irgendwo in der Nähe.« Er ging zur Hintertür, blickte in den Hof und machte ein finsteres Gesicht, als er Seth nicht entdeckte. »Vermutlich draußen vor dem Haus, oder er geht spazieren, was weiß ich. Ich kann den Kleinen doch nicht anbinden.«
»Zu dieser Tageszeit sollte er seine Hausaufgaben machen. Du brauchst dich nur ein paar Stunden allein um ihn zu kümmern, wenn er aus der Schule kommt.«
»Heute ist es anders gelaufen. Er hatte außerplanmäßige Schulferien.«
»Er hat blaugemacht? Du hast zugelassen, daß er blaumacht, während die Behörden bei uns herumschnüffeln?«
»Nein, er hat nicht die Schule geschwänzt.« Ärgerlich drehte Cam sich zu ihm um. »Irgend so ein kleiner Idiot in
der Schule hat ihn ständig schikaniert, ihm am ganzen Körper Blutergüsse beigebracht und ihn als Sohn einer Hure beschimpft.«
Phillips Haltung änderte sich sofort. Sein Ärger schlug in gerechten Zorn um. Seine goldbraunen Augen sprühten Funken, er verkniff seinen Mund. »Welcher Idiot? Wer zum Teufel war das?«
»Irgend so ein fetter kleiner Kerl namens Robert. Seth hat ihm eine runtergehauen, und dafür sollte er vom Unterricht ausgeschlossen werden.«
»Nichts da! Wer ist denn jetzt dort Direktor? So ein kleiner Napoleon?«
Cam lächelte. Wenn es hart auf hart kam, konnte man sich auf Phillip immer verlassen. »Es ist eine Frau. Als ich zu ihr ins Büro ging und die ganze Geschichte aus Seth herausholte, hat sie ein Stück weit nachgegeben. Ich gehe morgen noch mal mit ihm hin, um mich mit ihr zu beraten.«
Jetzt grinste Phillip, ein breites, boshaftes Grinsen. »Du? Cameron Großmaul Quinn geht zu einem Elterngespräch in die Schule. Oh, wenn ich doch Mäuschen spielen könnte!«
»Das brauchst du gar nicht, weil du nämlich mitkommen wirst.«
Phillip trank überhastet von seinem Wein und verschluckte sich. »Wie meinst du das, ich komme mit?«
»Und Ethan genauso«, beschloß Cam spontan. »Wir gehen alle, gemeinsam.«
»Ich habe einen Termin …«
»Sag ihn ab. Da ist der Kleine ja.« Er sah Seth mit Foolish aus dem Wald kommen. »Er hat bloß mit dem Hund herumgetobt. Ethan müßte ebenfalls jeden Augenblick kommen, dann werde ich ihn informieren.«
Phillip blickte finster. »Ich kann es nicht leiden, wenn du recht hast. Wir gehen alle.«
»Müßte ein lustiger Morgen werden.« Zufrieden boxte Cam seinen Bruder gegen den Arm. »Diesmal sind wir die großen Jungs. Und wenn wir diesen kleinen Krieg gegen
die Behörden gewinnen, können wir morgen abend feiern – mit einem Festmahl aus Krebsen.«
Phillips Laune hob sich. »Der erste April. Die Krebssaison beginnt. Oh, ja.«
»Heute abend essen wir frischen Fisch. Ich habe ihn gefangen, du kochst ihn, und jetzt muß ich duschen.« Cam entspannte seine Schultern. »Ms. Spinelli kommt morgen zum Abendessen.«
»Gut, du … Was?« Phillip wirbelte herum, als Cam hinausgehen wollte. »Du hast die Sozialarbeiterin zum Essen eingeladen? Hierher?«
»Richtig. Ich sagte dir doch, sie gefällt mir.«
Phillip konnte nur die Augen schließen. »Um Himmels willen, du baggerst die Sozialarbeiterin an.«
»Sie baggert mich auch an.« Cam grinste. »Mir gefällt’s.«
»Cam, ich will ja nichts gegen deinen verdrehten Sinn für Romantik sagen, aber benutz bitte mal deinen Verstand. Wir haben dieses Problem mit der Versicherung. Und wir haben ein Problem mit Seth in der Schule. Wie wird das wohl bei der Fürsorge ankommen?«
»Von der Versicherung sagen wir nichts, und über die Schule schenken wir ihr reinen Wein ein. Ich glaube, das wird bei Ms. Spinelli positiv ankommen. Sie wird begeistert sein, wenn wir uns alle für Seth einsetzen.«
Phillip öffnete den Mund, überlegte es sich anders und nickte. »Du hast recht. Das ist gut.« Ihm kam ein neuer Gedanke. »Vielleicht könntest du deinen … Einfluß auf sie nutzen, damit sie die Untersuchung vorantreibt und uns die Behörde vom Hals hält.«
Cam antwortete zunächst nicht. Er war überrascht, wie wütend ihn dieser Vorschlag machte. »Ich nutze gar nichts«, sagte er dann leise, »und so wird es auch bleiben. Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun.«
Als Cam mit großen Schritten hinausging, spitzte Phillip die Lippen. Na, ist das nicht hochinteressant? dachte er.
Als Ethan sein Boot zum Anlegesteg lenkte, entdeckte er Seth auf dem Hof.
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