Tief im Herzen: Roman (German Edition)
dort aus zur Treppe. Nickerchen bekamen ihm nicht, er wachte jedesmal benommen und gereizt auf und brauchte dann dringend einen Kaffee.
Er ging in die Küche und traf dort Phillip, der eine Weinflasche entkorkte. »Wo sind denn die anderen?« wollte er wissen.
»Keine Ahnung. Geh mir aus dem Weg.« Cam fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, goß den Rest Kaffee in einen Becher, stellte ihn dann in die Mikrowelle und drückte wahllos auf die Tasten.
»Die Versicherung hat mir mitgeteilt, daß sämtliche Ansprüche zurückgehalten werden, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind.«
Cam starrte auf die Mikrowelle und wünschte, die schier endlosen zwei Minuten wären bereits vorüber, damit er sich endlich das Koffein einflößen konnte. Sein müdes Hirn registrierte zwar die Worte Versicherung, Ansprüche und Ermittlungen, konnte jedoch keinen Zusammenhang zwischen den Begriffen herstellen. »Hm?«
»Reiß dich doch endlich zusammen.« Phillip gab ihm einen Schubs. »Dads Police soll nicht eingelöst werden, weil Verdacht auf Selbstmord besteht.«
»Das ist doch Schwachsinn. Er hat mir selbst gesagt, daß er sich nicht umgebracht hat.«
»Ach, wirklich?« Phillip stellte diese Frage äußerst ironisch. »Hast du vor oder nach seinem Tod mit ihm darüber geredet?«
Cam fing sich noch rechtzeitig, wäre jedoch um ein Haar rot geworden. Statt dessen stieß er einen Fluch aus und riß die Tür der Mikrowelle auf. »Ich meine, so was hätte er doch nie getan. Die wollen uns nur hinhalten, um nicht zahlen zu müssen.«
»Der entscheidende Punkt ist, daß es vorerst noch kein
Geld gibt. Der Ermittler hat mit den Leuten hier geredet, und einige haben ihm offenbar nur zu gern von dem Klatsch berichtet. Die Nachbarn wissen von dem Brief, den Seths Mutter geschrieben hat, von den Zahlungen, die Dad an sie geleistet hat.«
»Soso.« Er trank seinen Kaffee, verbrannte sich den Gaumen und fluchte. »Zum Teufel damit. Sollen sie ihr blödes Geld doch behalten.«
»So einfach ist das nicht. Wenn sie nicht zahlen, werden alle glauben, Dad hätte sich umgebracht. Ist es das, was du willst?«
»Nein.« Cam rieb seinen Nasenrücken, um gegen den Druck anzukämpfen, der sich allmählich im Kopf aufbaute. Früher hatte er Kopfschmerzen nur vom Hörensagen gekannt, und jetzt plagten sie ihn unaufhörlich.
»Was bedeutet, daß wir ihre Schlußfolgerungen akzeptieren oder aber vor Gericht ziehen müssen, um das Gegenteil zu beweisen, und das würde ein unglaubliches Aufsehen erregen.« Phillip kämpfte seine Nervosität nieder und trank von seinem Wein. »So oder so wird sein Name beschmutzt werden. Ich denke, wir werden diese Frau finden müssen – Gloria DeLauter, meine ich. Wir müssen die Sache klären.«
»Wie kommst du auf die Idee, daß es uns etwas nützen würde, wenn wir sie finden und mit ihr reden?«
»Wir müssen die Wahrheit aus ihr herauskriegen.«
»Wie denn, durch Folter?« Dabei hatte diese Vorstellung durchaus ihren Reiz. »Außerdem hat der Kleine Angst vor ihr«, fügte Cam hinzu. »Ihr Auftauchen könnte die Adoption gefährden.«
»Und wenn sie nicht auftaucht, werden wir vielleicht nie die Wahrheit erfahren, die ganze Wahrheit.« Und er mußte sie kennen, dachte Phillip, damit er es endlich akzeptieren konnte.
»Hier ist die Wahrheit, wie ich sie sehe.« Cam knallte seinen Becher auf den Tisch. »Diese Frau war auf der Suche nach einer Geldquelle und dachte, sie hätte sie gefunden.
Dad hat sich in den Kleinen verguckt und wollte ihm helfen. Also hat er für ihn bezahlt, so wie er es für uns getan hatte, doch sie wollte immer mehr. Ich denke, an jenem Tag war er außer sich, als er nach Hause fuhr, besorgt, abgelenkt. Er fuhr zu schnell, schätzte die Entfernung falsch ein und verlor die Kontrolle über den Wagen. Das ist alles.«
»Das Leben ist längst nicht so einfach, wie du es dir vormachst, Cam. Man startet nicht einfach an einem Punkt und braust von dort so schnell wie möglich ins Ziel. Da gibt es Kurven, Umwege, Straßensperren. Du solltest lieber mal anfangen, darüber nachzudenken.«
»Warum? Du denkst an nichts anderes, und doch scheint mir, wir sind beide an demselben Punkt gelandet.«
Phillip stieß einen Seufzer aus. Es war schwer, dagegen etwas einzuwenden. Er entschied, sich noch ein zweites Glas Wein zu gönnen. »Wie dem auch sei, wir stehen vor einem Dilemma, und wir müssen es irgendwie lösen. Wo ist Seth?«
»Ich weiß nicht, wo er steckt. Irgendwo in der
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