Tief im Herzen: Roman (German Edition)
Unterschied zwischen richtig und falsch besteht. Das ist nicht die Art Schule, auf die ich meinen kleinen Bruder schicken möchte.«
Mrs. Moorefield legte die Hände aneinander und blickte über ihre Fingerspitzen hinweg auf die drei Männer und dann auf Seth. »Deine Testergebnisse sind ausgezeichnet, und deine Noten liegen weit über dem Durchschnitt. Aber deine Lehrer sagen, daß du selten Referate abgibst und dich noch seltener an der Diskussion im Unterricht beteiligst.«
»Wir kümmern uns um die Hausaufgaben.« Cam versetzte Seth einen sanften Stups. »Richtig?«
»Ja, schätzungsweise. Ich verstehe nicht, warum …«
»Du brauchst es nicht zu verstehen.« Cam schnitt ihm mit einem finsteren Blick das Wort ab. »Du hast es einfach zu tun. Wir können nicht neben ihm im Klassenzimmer sitzen und ihn zwingen, den Mund aufzumachen. Aber seine Hausaufgaben wird er in Zukunft pünktlich abliefern.«
»Das kann ich mir vorstellen«, murmelte sie. »Ich erkläre mich zu folgendem bereit: Seth, weil ich dir Glauben schenke, werde ich dich nicht ausschließen. Aber du bekommst eine dreißigtägige Probezeit. Wenn es keinen störenden
Zwischenfall mehr gibt und deine Lehrer mir berichten, daß du dich in der Frage der Hausaufgaben gebessert hast, lassen wir die Angelegenheit auf sich beruhen. Deine erste Hausaufgabe bekommst du jetzt allerdings von mir. Du hast eine Woche Zeit, einen langen Aufsatz über die Gewalt in unserer Gesellschaft und die Notwendigkeit friedlicher Problemlösungen zu schreiben. Er soll fünfhundert Wörter umfassen.«
»O Mann …« »Halt die Klappe«, befahl Cam nachsichtig. »Das ist fair«, sagte er zu Mrs. Moorefield. »Wir danken Ihnen.«
»So schlimm war es gar nicht.« Phillip trat ins Sonnenlicht und lockerte seine Schultermuskeln.
»Das sagst du.« Ethan setzte seine Mütze wieder auf. »Ich habe Blut und Wasser geschwitzt. Ich will das in diesem Leben kein zweites Mal durchmachen müssen. Laßt mich am Hafen raus. Ich kann zu meinem Boot trampen. Jim paßt auf, er müßte inzwischen schon einen schönen Batzen Krebse raufgeholt haben.«
»Vergiß bloß nicht, unseren Anteil mit nach Hause zu bringen.« Cam stieg in Phillips glänzend marineblauen Landrover. »Und denk daran, daß wir heute Besuch bekommen.«
»Werde ich nicht vergessen«, murmelte Ethan. »Schulleiter am Morgen, Sozialarbeiter am Abend. Jesus Christus. Jedesmal, wenn ich mich umdrehe, muß ich mit jemandem anderen sprechen.«
»Ich habe die Absicht, Ms. Spinelli von ihrer Arbeit abzulenken.«
Ethan drehte sich um und sah Cam an. »Du kannst einfach nicht die Finger von Frauen lassen, wie?«
»Wozu sollte das gut sein? Dazu sind sie doch da.«
Ethan seufzte nur. »Ihr solltet lieber noch Bier besorgen.«
Cam erklärte sich am späteren Nachmittag bereit, das Bier zu holen. Es war ein nicht ganz selbstloses Angebot. Er
konnte Phillips Gefasel keine weiteren fünf Minuten ertragen. Die Fahrt zum Supermarkt ermöglichte es ihm, aus dem Haus zu kommen und der gespannten Stimmung zu entgehen, die Phillip geschaffen hatte, indem er auf seinem flotten kleinen Laptop einen Brief an die Versicherungsgesellschaft entwarf und immer wieder umschrieb.
»Bring auch was für den Salat mit, wenn du schon fährst«, rief Phillip ihm nach, woraufhin Cam stehenblieb und den Kopf in die Küche steckte, wo Phillip noch immer munter vor sich hintippte.
»Was soll das heißen ›was für den Salat‹?«
»Frische Lebensmittel, um Himmels willen, komm bloß nicht mit einem Eisbergsalat und geschmacklosen Tomaten aus dem Gewächshaus an. Ich habe gestern eine leckere Vinaigrette zubereitet, aber hier gibt’s nichts, womit ich sie verfeinern könnte. Nimm Cocktailtomaten, wenn sie einigermaßen passabel aussehen.«
»Wozu brauchen wir das alles?«
Sein Bruder seufzte und unterbrach seine Arbeit. »Erstens, weil wir ein langes, gesundes Leben führen wollen, und zweitens, weil du einen Gast zum Abendessen eingeladen hast, eine Frau, die sich ansehen will, wie wir es mit Seths Ernährung halten.«
»Dann fahr doch selbst zum Supermarkt.«
»Gut. Und du schreibst diesen Brief.«
Er würde lieber lebendig auf den Scheiterhaufen steigen. »Frische Sachen, du lieber Gott.«
»Und bring Sauerteigbrot mit. Außerdem geht uns bald die Milch aus. Da ich das nächste Mal, wenn ich nach Baltimore fahre, meinen Entsafter mitbringe, schau mal nach frischem Obst, Karotten und Zucchini. Ich schreibe dir eine
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