Tief im Herzen: Roman (German Edition)
Liste.«
»Moment, Moment.« Cam spürte, wie ihm die Kontrolle entglitt, und kämpfte dagegen an. »Ich hole nur das Bier.«
»Vollkornbagel«, murmelte Phillip, während er eifrig weiterschrieb.
Dreißig Minuten später stand Cam nachdenklich in der Gemüseabteilung des Lebensmittelgeschäfts. Was zum Kuckuck war der Unterschied zwischen grünem Blattsalat und Römersalat, und warum sollte er das wissen? Trotzig lud er wahllos Waren in den Einkaufswagen. Da er dies für ein praktikables Vorgehen hielt, ging er in sämtlichen Abteilungen so vor. Als er zur Kasse kam, schob er zwei Wagen, die von Dosen, Schachteln, Flaschen und Tüten überquollen.
»Du meine Güte, Sie geben wohl eine Party.«
»Hungrige Gäste«, erklärte er der Kassiererin, und nachdem er kurz in seinem Gedächtnis gekramt hatte, konnte er sie einordnen. »Wie geht es Ihnen, Mrs. Wilson?«
»Oh, ganz gut.« Geschickt hielt sie die einzelnen Artikel über das Lesegerät und steckte sie dann in Tüten. Ihre flinken Finger mit den roten Nägeln bewegten sich blitzschnell. »Ein viel zu schöner Tag, um hier drin zu hokken, das kann ich Ihnen sagen. In einer Stunde habe ich frei, dann gehe ich mit meinem Enkelsohn Hühnerhälse auslegen.«
»Bei uns steht heute abend auch Krebs auf dem Speiseplan. Ich hätte vielleicht auch Hühnerhälse für unsere Falle besorgen sollen.«
»Ethan hat bestimmt genug für euch alle gefangen. Das mit Ray tut mir furchtbar leid«, fügte sie hinzu. »Nach dem Begräbnis bin ich nicht dazu gekommen, es Ihnen zu sagen. Wir vermissen ihn sehr. Nach Stellas Tod kam er ein oder zweimal die Woche her und kaufte Gerichte für die Mikrowelle. Ich hab’ zu ihm gesagt, ›Ray, Sie sollten sich besser ernähren. Ein Mann braucht hin und wieder ein ordentliches Stück Fleisch auf dem Tisch.‹ Aber es ist schwierig, nur für eine Person zu kochen, wenn man an eine ganze Familie gewöhnt war.«
»Ja.« Mehr wußte Cam nicht zu sagen. Er gehörte zur Familie, und er war nicht dagewesen.
»Er hatte immer irgendeine Geschichte über einen von
euch Jungs auf Lager. Hat mir Bilder von Ihnen und Artikel in ausländischen Zeitungen gezeigt. Rennen hier, Rennen da. Und ich sagte, ›Ray, woher wissen Sie, ob der Junge gewonnen hat oder nicht, wenn es in Italienisch oder Französisch geschrieben ist?‹ Dann haben wir nur gelacht.«
Sie überprüfte das Gewicht einer Tüte mit Äpfeln und gab den Preis ein. »Wie geht’s dem Kleinen? Wie heißt er noch gleich? Sam?«
»Seth«, murmelte Cam. »Es geht ihm gut.«
»Hübscher Junge. Als Ray ihn mit nach Hause brachte, habe ich zu Mr. Wilson gesagt, ›Typisch Ray Quinn, hat immer eine offene Tür für andere‹. Ich weiß nicht, wie ein Mann in seinem Alter daran denken konnte, einen Jungen bei sich aufzunehmen. Doch wenn es jemand schaffen konnte, dann Ray Quinn. Er und Stella sind ja auch mit euch dreien zurechtgekommen.«
Da sie lächelte und ihm zuzwinkerte, lächelte er ebenfalls. »Ja, und wir haben uns alle Mühe gegeben, es ihnen schwerzumachen.«
»Ich denke, sie haben jede Minute genossen. Und ich denke, der Junge, Seth, war ein Trost für Ray, nachdem ihr alle erwachsen geworden und ausgeflogen wart. Sie sollen wissen, daß ich nicht glaube, was manche sagen. O nein.«
Sie preßte die Lippen aufeinander, als sie drei Jumboschachteln mit Frühstücksflocken registrierte. Dann schnalzte sie mit der Zunge und schüttelte den Kopf, bevor sie fortfuhr. »Denen, die in meiner Gegenwart diesen gemeinen Klatsch erzählen, sage ich offen ins Gesicht, daß sie ihre Zunge hüten sollen, wenn sie sich Christen nennen.« Ihre Augen blickten zornig. »Geben Sie bloß nichts auf das Gerede, Cameron, gar nichts. Diese Idee, daß Ray ein Techtelmechtel mit dieser Frau gehabt haben soll, und daß der Junge sein eigen Fleisch und Blut sei, das glaubt doch keiner, der seine fünf Sinne beisammen hat. Oder daß er mit Absicht gegen den Mast gefahren sein soll. Es macht mich krank, wenn ich es nur höre.«
Cam machte es ebenfalls krank. Er wünschte bei Gott, er wäre niemals in diesen Laden gegangen. »Manche Leute glauben jede Lüge, Mrs. Wilson.«
»O ja, und ob.« Sie nickte zweimal ruckartig mit dem Kopf. »Und dann reden sie auch noch gern darüber. Sie sollen wissen, daß Mr. Wilson und ich Ray und Stella als unsere Freunde betrachtet haben, und wir hielten sie für gute Menschen. Jeder, der in meiner Gegenwart etwas über sie sagt, das mir nicht gefällt, kriegt die Ohren
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