Tief im Hochwald - Kriminalroman
entgegengebracht, da wäre nicht einmal auch nur daran zu denken gewesen, einem Geistlichen gegenüber jemals solche Anschuldigungen vorzubringen. Was ich hier von Ihnen höre, ist völlig haltloses Geschwätz.«
»Dann erklären Sie mir doch, wo dieses Geschwätz herkommt, wenn es so völlig aus der Luft gegriffen ist«, sagte Vanessa. »Wir haben von mehreren Seiten derartige Andeutungen gehört, denen wir derzeit nachgehen. Und wir werden nicht ruhen, bevor wir nicht sicher wissen, ob Sie schuldig oder unschuldig sind.«
»Das muss ich mir nicht bieten lassen«, begehrte der Pastor auf.
»Mir fällt durchaus auf, dass Sie nicht leugnen, sondern sich nur aufregen. Ich glaube, Sie wissen sehr gut, von wem wir diese Hinweise erhalten haben. Wie es scheint, haben die bisherigen Mordopfer mit diesen Taten in der Vergangenheit zu tun. Wir suchen derzeit nach der Rolle von Franz Schuster in dieser Geschichte, aber ich glaube, Sie wissen bereits, warum es ihn getroffen hat. Und Sie haben möglicherweise auch eine Vermutung darüber, wer die nächsten Opfer sein könnten. Machen Sie endlich den Mund auf«, forderte Gunter ungehalten. »Wer möchte sich da eine späte Genugtuung verschaffen? Wissen Sie es? Ahnen Sie etwas?«
Vanessa rief Landscheid zurück, der sich widerstrebend an ihrem Schreibtisch niederließ und einen Block und einen Stift vor sich legte, als wolle er umgehend ein Geständnis protokollieren. Vanessa hatte das Gefühl, dass dieses Wechselspiel zwischen dem fordernden Hermesdorf, dem enttäuschten, wutentbrannten Landscheid und ihr als scheinbar verständnisvoller Dritter am ehesten zu einem Ergebnis führen würde, auch wenn das Gespräch ihr größtmögliche Beherrschung abverlangte.
»Ich hab deine Kinder nie angerührt«, murmelte der stämmige Pastor.
»Sprich lauter, ich möchte dich klar und deutlich hören!«, verlangte Landscheid.
Vanessa atmete innerlich auf. Landscheid schien sich unter Kontrolle zu haben. Sein Tonfall war bestimmt, aber in Ordnung.
»Ich habe deine Jungs nie angerührt!«, wiederholte der Geistliche lauter und starrte noch immer auf die Tischplatte.
»Sieh mir wenigstens in die Augen, du feiger Hund!«, verlangte sein langjähriger Freund. Vanessa war mit einem Mal wieder aufs Äußerste angespannt und Gunter wiederum bereit, den Kollegen körperlich von dem Pastor fernzuhalten.
»Meine vielleicht nicht, aber welche stattdessen?«, wollte Landscheid wissen.
»Nein, ich habe auch keine anderen Kinder angerührt. Das schwöre ich bei allem, was mir heilig ist.«
»Spar dir deine Scheinheiligkeit! Und sei sicher, ich werde meine Jungs fragen. Und wenn du gelogen hast, dann gnade dir Gott, vor mir wirst du jedenfalls keine Gnade finden!« Es schien, als bräche sich neben Abscheu auch die persönliche Enttäuschung über den einstigen Freund Bahn.
»Ich werde mein Schicksal annehmen, was auch immer der Herrgott für mich vorgesehen hat«, sagte Feldmann ergeben.
Vanessa musste sich zurückhalten, ihm diese verlogene Schicksalsergebenheit nicht vorzuwerfen. Schließlich konnte er nicht auch noch so tun, als habe er keine Wahl gehabt, denn der Missbrauch von Kindern und Jugendlichen war ganz sicher nicht von einer höheren Macht angetrieben oder befürwortet worden.
Sie räusperte sich und hoffte, sie könnte ihn aus seinem Fatalismus wecken. »Ich bin nicht sicher, ob Sie uns verstanden haben. Jeder Mord scheint Teil einer Serie zu sein, und wir haben Grund zu der Annahme, dass zwei weitere Morde bevorstehen. Es wird demnach mindestens einen Unschuldigen treffen, sofern unsere Vermutung richtig ist, dass Sie das letzte Opfer sein sollen. Wir möchten jeden Mord vermeiden, auch den an Ihnen.« Sie sah Landscheid an, erkannte, was dieser wirklich dachte und auch am liebsten ausgesprochen hätte, und warf ihm einen vernichtenden Blick zu.
»Meine Aufgabe ist es, die vergangenen Morde aufzuklären und weitere zu verhindern. Verstehen Sie überhaupt, was ich sage?« Vanessas Stimme klang aufgebracht, weil der Pastor keinerlei Gemütsregung zeigte. »Der Mörder scheint auf etwas Bestimmtes hinzuarbeiten, einen Ort, den er uns zeigen möchte. Können Sie sich erklären, worum es gehen könnte?«
»Ich sagte doch, dass ich nicht weiß, wovon Sie reden«, beharrte Feldmann.
»Das glaube ich Ihnen nicht. Ich brauche Namen, Fakten, einfach Wahrheiten! Wer könnte Ihnen nach dem Leben trachten?« Vanessa brach ab, bevor sie sich im Ton vergriff. Ihr Kollege Landscheid war
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