Tief im Hochwald - Kriminalroman
entscheidende Indiz sein. Ich geh jetzt jedenfalls zur ›Post‹ einen Happen essen, vielleicht erfahre ich da ja noch mehr.«
Hajo wandte sich zum Gehen, drehte sich aber ein letztes Mal um. »Sag mal, Cordula, wieso bist du überhaupt hier? Hat die Bäckerei freitags nicht mehr bis achtzehn Uhr geöffnet?«
Sie wirkte verlegen. »Na ja, es waren schon seit heute Nachmittag keine Kunden mehr da, und da wollte ich mal selbst sehen, was es so an Neuigkeiten in Hellersberg gibt.«
Hajo gingen Heiners Worte durch den Kopf: »Wir sagen meistens das, was wir denken.« Schade, dass manche nicht nachdachten, bevor sie sprachen, aber Cordula meinte es wirklich so, wie sie es gesagt hatte.
»Na, morgen früh wirst du sicher allerhand zu erzählen haben, wenn die Hellersberger ihre Wochenendbrötchen bei dir kaufen. Ich wünsche dir einen schönen Abend.«
Vor dem Gasthof »Zur Post« standen der Förster und der alte Metzger Klaus Jungblut miteinander ins Gespräch vertieft, jeder mit einer Zigarette in der Hand. Hajo grüßte und wollte vorbeigehen, als Jungblut ihn anhielt.
»Hajo, mein Sohn hat mir vorhin erzählt, dass Heiner eine Mörderin gefasst hat, hast du das auch schon gehört?«
»Ein weiterer Mord? Hier?« Hajo tat erstaunt.
»Ja, hast du es nicht gehört?«, fragte der Förster. »Auf dem Grenzweg hat eine Frau ihren Mann umgebracht, und Heiner hat sie schon geschnappt. Ich weiß nicht, wie er das so schnell geschafft hat, aber es steht bereits fest, dass sie die Mörderin ist.«
Hajo tat unwissend. »Aha, woran erkennt man so schnell, dass jemand eine Mörderin ist?«
»Na, sie hat feuerrote Haare, wilde grüne Augen, und ihre Hose ist ganz schmutzig vom Waldboden. Anscheinend hat Heiner sie geschnappt, bevor sie eine Gelegenheit hatte, ihre Kleidung verschwinden zu lassen. Sicherlich wird er es in Windeseile schaffen, dass sie ein Geständnis ablegt.«
»Was soll sie denn gestehen?«, hakte Hajo nach.
Der alte Metzger machte den Anschein, Hajo sachdienlich aufklären zu wollen. »Da ist ein Mann um die vierzig auf dem Grenzweg erschlagen aufgefunden worden. Er kommt aus dem Saarland, aber offenbar hat seine Frau ihn auf unserer Seite erschlagen, weil sich im Saarland eben alle untereinander kennen und sie möglicherweise befürchtet hat, da würde man ihr schnell auf die Schliche kommen. Aber unser Heiner ist pfiffig, der hat sie auch ganz schnell ausfindig gemacht.«
Hajo pfiff anerkennend durch die Zähne. »Da muss ich heute beim Skat aber aufpassen, wenn er wirklich so genau hinsieht. Nicht, dass er mich beim Schummeln ertappt.« Er legte verschwörerisch die Finger auf die Lippen und betrat die Gaststube.
Wie schon nach dem Mord an dem Medikamentenvertreter hatten sich ungewöhnlich viele Leute bereits zu früher Stunde in der Gaststätte eingefunden. Am vorderen Tisch saß eine Familie beim Abendessen, an der Theke waren bereits vier Hocker besetzt, und der frühere Pastor saß schon an dem kleinen Tisch in der Ecke. Karl-Josef Lehnen stand an der Theke und war ins Gespräch mit Ruth Eiden vertieft, und an einem langen Tisch links des Eingangs war der Bastelkreis von Hellersberg versammelt, sieben oder acht Frauen, die gemeinsam Bastelarbeiten für den Handwerkermarkt herstellten. Im hinteren Teil des Gasthofes standen einige Leute, die für gewöhnlich freitags erst um achtzehn Uhr zum Kegeln kamen. Mit anderen Worten, der Gasthof war brechend voll mit neugierigen Hellersbergern.
Hajo ging zunächst an die Theke, um sich einen Viez und eine Portion Bratkartoffeln mit gebackener Blutwurst zu bestellen. Ruth und Karl-Josef machten den Eindruck, als sei die gute Zusammenarbeit bei der Versammlung wegen der Wahl zum »Dorf der Region« keine einmalige Aktion gewesen, denn sie schienen gemeinsam über eine Erweiterung der Speisekarte nachzudenken. Ruth Eiden legte Hajo vertraulich eine Hand auf den Arm.
»Hast du schon gehört, schon wieder ein Toter auf Hellersberger Boden«, sagte sie verschwörerisch.
»Nein, was du nicht sagst«, erwiderte Hajo. »Gibt es schon nähere Informationen?«
»Ja, ein Mann um die vierzig, der von seiner Frau erschlagen wurde, aber Heiner hat die Frau schon gefasst und zum Verhör auf die Wache gebracht. Ich fürchte, aus eurer Skatrunde wird heute nichts.«
»Na ja, das ist nicht so schlimm, heute sind so viele Leute im Lokal, da lässt sich sicher ein dritter Mann finden. Sonst hast du vielleicht ein Schachbrett, dann spiele ich mit dem Pastor allein.
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