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Tief

Tief

Titel: Tief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Croft
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andere Leute wurden aufmerksam, und überall auf dem Pier standen plötzlich Leute, die aufgeregt in die Richtung wiesen. Es kam immer näher, wurde immer größer. Die Leute blickten hin und her und versuchten, die Distanz zum Strand abzuschätzen.
    *  *  *
    Blackfin ist schrecklich müde und krank, aber in diesen letzten Minuten hält ihn das Adrenalin wach. Sein geschundener Körper schießt durch das Wasser. Er führt dreieinhalbtausend Wale an.
    Viele Tiere müssen unbedingt Luft holen, aber seit einer halben Stunde hat keines mehr die Oberfläche durchbrochen. Jeder Wal ist wie ein Stein in einer Mauer, die sich unter Wasser bewegt. Die Mauer ist riesig und schiebt eine ungeheure Bugwelle vor sich her – die Welle, auf die die Touristen in Blackpool jetzt verwundert zeigen. Sie wissen ja nicht, was sich hinter dieser Welle befindet, nur ein paar Meter unter der Wasseroberfläche: dreihundert Blauwale, fünfhundert Pottwale, sechshundert Finnwale … Geschöpfe, die tausendmal mehr wiegen als ein Mensch, in einer unerhörten Menge versammelt, alle mit einem gemeinsamen Ziel. So dicht schwimmen sie beieinander, dass ihre Flanken sich aneinander reiben.
    Blackfin kann nicht mehr so schnell schwimmen, um das Tempo aufrechtzuerhalten, und doch wird er nicht langsamer. Die Wale um ihn herum tragen ihn förmlich. Das teefarbene Wasser wird langsam heller, und jetzt kann Blackfin zum ersten Mal gleichzeitig die Oberfläche und den Meeresboden sehen. Links von ihm ist ein Pottwal, rechts unter ihm ein Finnwal, während über ihm eine kleine Schule weiß gestreifter Delphine schwimmt; immer wieder spürt er, wie die Leiber seiner Brüder und Schwestern ihn stützen. Die Macht und die Stärke, die dahinterstehen, sind körperlich spürbar. Er fühlt sie in den Wasserbewegungen um sein empfindliches Blasloch. Die Kraft ist zu groß für das flache Wasser, und die Welle vor ihnen baut sich immer weiter auf.
    Der Strand kommt näher. Unter den Schmerzen seiner Wunden, im Adrenalin seiner Erregung und dem Wissen um die Konsequenzen empfindet Blackfin eine Art Frieden. Er ist fest überzeugt, dass die Menschen ihnen dieses Mal zuhören werden. Sein Kopf durchbricht die Wasseroberfläche, ein Delphin springt wild in die Luft, und vor sich sieht er, wie die künstliche Welle bereits bricht.
    *  *  *
    Die Welle war eine Sensation. Sie schien zweieinhalb Meter hoch zu sein, und je näher sie kam, desto deutlicher wurde ihre Geschwindigkeit. Die meisten Leute rannten eilig, rufend und schreiend, den Strand hinauf. Andere, hauptsächlich junge Männer, die sich vor ihren Altersgenossen beweisen wollten, drängten sich durch die Menge der Flüchtenden. Als sie am Meer ankamen und die Wand aus Wasser sahen, die sich auf sie zubewegte, blieb ihnen ihr Mut im Hals stecken. Einige drehten sich auf der Stelle um und rannten weg. Andere grinsten einander unsicher an und blieben stehen.
    Andrew und Amanda waren aufgestanden, um besser sehen zu können. Sie waren etwa vierzig Meter vom Meer entfernt, was ungefähr der Grenze entsprach, hinter die sich die meisten Leute zurückzogen. Das Schauspiel irritierte Andrew, weil es ihn bei der Verführung von Amanda störte. Er legte ihr den Arm um die Taille und zog sie an sich, wobei seine Finger über ihr Hinterteil glitten.
    »Die ist ja riesig !«, rief Amanda. »Hier kann sie uns doch nicht erreichen, oder?«
    »Natürlich nicht, wir stehen ja mitten auf dem Strand.«
    »Was ist denn da am Pier los?«
    »Keine Ahnung.«
    Die Leute auf dem Pier schienen wahnsinnig geworden zu sein. Sie schrien und gestikulierten wie wild. Die Welle hatte die Spitze des Piers erreicht und rauschte darunter hindurch. Die Leute auf dem Strand merkten jedoch immer noch nichts.
    Der alte, dick angezogene Mann, der mit seiner Frau am Ende des Piers stand, starrte ungläubig und entsetzt aufs Wasser. Das Meer war ein einziges Gewimmel von dunklen Leibern. Wale, Tausende von Walen. Er blickte zum Strand, zu den armen Seelen dort.
    »Sie werden alle sterben.«
    Naive Überraschung schwang in seiner Stimme mit. Mit seinen gichtverkrümmten Fingern umklammerte er das Geländer und starrte verängstigt auf die massiven Leiber, die wie mythische Ungeheuer aus dem Meer aufstiegen und mit schrecklicher Gleichmäßigkeit auf die ahnungslosen Badegäste zuschwammen. Er sah das bizarre Spektakel kleiner, silberner Delphine, die zwischen den riesigen Tieren umhersprangen wie Lachse im Fluss. Er sah Wale jeder Größe und

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