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Tief

Tief

Titel: Tief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Croft
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Farbe, die in der Formation eines flachen Diamanten, der von Spitze zu Spitze mindestens dreihundert Meter maß, zur Küste schwammen.
    Gleich bricht sich die Welle auf dem Sand. Tausende von Badegästen am Strand von Blackpool schreien und kreischen. Die mutigen Jugendlichen rennen ihr entgegen. Als die Welle donnernd herunterstürzt, brechen die ersten Wale durch. Ein Junge, der mit einem Jubelschrei in die Wasserwand taucht, hat zumindest keine Zeit mehr, seinen eigenen Tod zu spüren, da er mit der spitzen Schnauze eines Finnwals zusammenstößt und schon tot ist, als sein Körper aus dem Wasser geschleudert und schließlich von den nachfolgenden Walen zermalmt wird. Jetzt herrscht Entsetzen am Strand, und die Menge schreit vor Angst. Andrew hat sich auf dem Absatz umgedreht und rennt, so schnell er kann. Er trampelt über jemanden hinweg, ein Kind vielleicht, er weiß es nicht, o Gott, lieber Gott! Ein Delphin saust an ihm vorbei und schießt in eine Gruppe kreischender Teenager. Er fällt auf die Knie, ein weiterer Delphin schlittert vorüber, Andrew keucht vor Anstrengung, aber sein Kopf, sein Mund ist irgendwie in den Sand gedrückt, seine Gliedmaßen gehorchen ihm nicht mehr, und dann sieht er ein viel größeres Tier auf sich zukommen, er versucht, mit zitternden Beinen aufzustehen, aber etwas hält ihn fest, Amanda klammert sich an ihn, er sieht den Wal über sie gleiten und über sich, hört Knochen brechen, und dann sieht er nie wieder etwas.
    Es herrscht ein Lärm wie von einer großen Tötungsmaschine. Menschliche Körper werden in den Sand gepresst, in die Luft geschleudert, erdrückt und zerquetscht von den Tieren, zwischen die keine Hand passt. Die größeren Wale schieben sich über die kleineren Tiere, die unter dem Druck förmlich zerplatzen. Ein noch lebender, blutiger Nördlicher Entenwal rollt sanft auf ein bewegungsloses dreijähriges Mädchen. Man sieht nur noch ihre kleinen Füße, die jämmerlich unter der milchigen, muskulösen Flanke des Tiers hervorragen.
    Am tödlichsten sind die Blauwale. Diese massiven Geschöpfe katapultieren sich weiter als alle anderen Wale aus dem Meer heraus. Ihre langen, stromlinienförmigen Leiber hinterlassen eine breite Todesschneise.
    Arnie steht mindestens dreißig Meter weiter oben am Strand, eigentlich weit genug entfernt, um zu entkommen. Aber während um ihn herum alle um ihr Leben rennen, bleibt er stehen wie ein fanatischer Kapitän, der mit seinem Schiff untergehen will. Er hat den Blick fest auf das gerichtet, was kommt. Mittlerweile kommen nicht mehr so viele Wale so hoch an den Strand, weil sie meistens schon an der Mauer aus ihren Artgenossen abprallen, aber dieser Wal hat freie Bahn. Arnie beobachtet, wie er immer langsamer wird; er sieht es mit seinen Augen, aber sein Gehirn begreift es nicht. Nur noch wenige Meter, dann wird er anhalten. Arnies Augen blicken fest auf die Schnauze des Wals, und dann spürt er, wie sie ihn mitten auf die Brust trifft. Er fällt um, liegt mit ausgebreiteten Armen auf dem Rücken, der Blauwal gleitet über ihn, und dann wird alles dunkel.
    In den Sekunden nachdem der letzte Wal gestrandet ist, scheint die Zeit stillzustehen. In dieser Übergangsphase versucht Blackfin sich zu orientieren. Gerade als er am Strand angekommen war, ist ein Blauwal mit ihm kollidiert. Das größere Tier hat ihn umgedreht, sodass er völlig unkontrolliert den Strand hinaufgerollt ist. Er hat sich gedreht, ist gerutscht, während die Menschen schreiend an ihm vorbeigesaust sind. Er kann sich nicht mehr erinnern, wann er liegen geblieben ist, aber jetzt liegt er verkrümmt und desorientiert halb auf der Seite, mit dem Blick zum Meer.

12
    Es war der Tag, an dem sich 3491 Wale und Delphine auf einen Strand voller Badegäste warfen, etwa 5500 Menschen töteten – die Zahl der Toten konnte erst Tage später mit Sicherheit festgestellt werden – und weitere acht- bis neuntausend verletzten. Der Tag, der niemals vergessen werden würde, der Tag des Todes, der Tag der schlimmsten und seltsamsten zivilen Katastrophe in der Geschichte Großbritanniens neigte sich dem Ende entgegen.
    23.25 Uhr. Ein offizieller Wagen wartete auf Roddy und Kate, als ihr Jet auf dem kleinen Militärflugplatz in Lancashire landete. Innerhalb weniger Minuten war der von sechs Polizeimotorrädern begleitete schwarze Toyota Prius mit Blaulicht und Sirene in der Nacht unterwegs. Das alles gehörte zu Roddys neuem Status. Bereits Minuten nach dem entsetzlichen Ereignis

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