Tief
worden, und erst seit Kurzem kümmerte man sich wieder um das Problem. Die meisten Maschinen und Geräte waren schrottreif, und in der schlimmsten Zeit war auch noch das Personal halbiert worden, sodass jetzt immer noch zu viele Wehrpflichtige da waren, die nur sporadisch bezahlt wurden. Die Kommandanten waren alle korrupt, aber – Zemtsov verdrehte die Augen – was konnte man schon von einem Land erwarten, in dem die Kleptokratie so mächtig war, dass ihr alle Banken gehörten? Und was seine geliebte U-Boot-Flotte anging … Die Nordmeerflotte, die auf der Höhe ihrer Macht über mehr als zweihundert Kampfschiffe verfügt hatte, konnte jetzt kaum die Mittel aufbringen, um dreißig dieser Schiffe einsatzbereit zu halten. Der Rest rostete in den Werften von Polyarny und der Halbinsel Kola dahin. Sein eigenes Schiff, ein Atom-U-Boot der Victor-Klasse, hätte schon längst dringend einer Überholung bedurft; vor fünf Jahren , dachte Kommandant Zemtsov wütend.
»Herein«, rief er noch vor dem Klopfen, als er Klepko näher kommen hörte.
»Kommandant.«
Klepko hatte wie Zemtsov ebenfalls noch in der Sowjetära gedient, und wie Zemtsov schämte er sich über den Zustand der heutigen U-Boot-Marine. Aber während der Kommandant sich immer noch an die Hoffnung klammerte, dass ihr Mutterland sich nur in einer schmerzhaften Übergangsperiode zu einer gereiften, funktionierenden Demokratie befände, war Klepko ein unverbesserlicher Parteimann, der Glasnost , Perestroika und den freien Markt, der darauf gefolgt war, als Katastrophe betrachtete.
»Eine seltsame Mission«, sagte Klepko und lehnte die Tasse Kaffee ab, die sein Vorgesetzter ihm anbot.
»Seltsamer, als du denkst, Genosse«, antwortete Zemtsov. Er war ebenso überrascht wie Klepko, dass ihm die alte Anrede entschlüpft war. Es war unbewusst geschehen. Die beiden Männer blickten sich an. »Hör zu, ich muss dir sagen, dass ich von gewissen Vorgesetzten Befehle erhalten habe, die anderen Vorgesetzten nicht bekannt sind.« Klepkos Augen weiteten sich. »Was auch immer ich also tue, ich gehorche immer nur einem Herrn und missachte den Befehl des anderen. Das wollte ich dir sagen.«
»Wie lautet dein Befehl, Kommandant Zemtsov?«
»Das U-Boot der Trafalgar-Klasse zu zerstören.«
Klepko blinzelte.
»Von wem kommt der Befehl?«
»Vom Oberbefehlshaber der U-Boot-Marine der Nordmeerflotte, aber nicht vom Oberbefehlshaber der gesamten Flotte.«
»Er weiß nichts davon?«
»Er weiß nichts davon.«
»Aber er wird es innerhalb weniger Minuten herausfinden«, stieß Klepko hervor. »Wie sollen wir denn vertuschen, dass wir Torpedos abgefeuert haben?«
»Ja, ja, aber wenn es erst einmal geschehen ist, wird es selbst der Kreml vertuschen wollen.«
»Der Kreml ist also …?«
»Nein, er ist nicht involviert. Noch nicht. Aber der Oberbefehlshaber erwartet die ›Sanktion‹ des Verteidigungsministers. Das überrascht mich nicht im Geringsten.«
Klepko stieß einen leisen Pfiff aus. Er ergriff ein leeres Blatt Papier, das auf dem Schreibtisch des Kommandanten lag, und glättete es zwischen den Fingern.
»Zu einem solchen Befehl, mit all seinen Risiken«, wandte er ein, »müssen sie dir doch eine Erklärung gegeben haben, wenn sie erwarten, dass du ihn ausführst.«
» SONAZ ist anscheinend eine internationale Giftmülldeponie in großem Umfang. Viele Nationen sind beteiligt, einschließlich unserer und Großbritannien. Aber der Geheimdienst meint, dass die Engländer, wenn sie jetzt in das Sperrgebiet eindringen, auf jeden Fall Beweise dafür mitbringen werden, dass Russland falsch gehandelt hat. Und der Oberbefehlshaber ist der Meinung, dass unser Land sich das nicht leisten kann.«
»Was im Klartext heißen soll, dass seine politischen Vorgesetzten und ihre …« – Klepko verzog angewidert das Gesicht – »… ihre Partner auf dem freien Markt es sich nicht leisten können.«
»Ja, ja, ich weiß. In unserem Land sind die Schwachen und die Bösen an der Spitze. Aber, Klepko, das ändert nichts an der Tatsache, dass die Briten Meister darin sind, die Schuld auf andere abzuwälzen. Die Konsequenz für uns wird internationale Ächtung sein, und das bedeutet weitere Desintegration und Mühen für unser Volk. Wenn jedoch ihr Schiff in SONAZ verschwindet, dann wäre das …« – der Kommandant wählte seine Worte sorgfältig – »… ein alternatives Ergebnis.«
»Du riskierst eine internationale Krise.«
»Die gibt es bereits, und wir stecken
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