Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tief

Tief

Titel: Tief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Croft
Vom Netzwerk:
U-Boot vorsichtig über den äußersten Rand des Zeugs glitt.
    »Sir«, sagte Falkland zögernd.
    Die Kamera zeigte einen von Menschenhand gefertigten Gegenstand aus Metall, der im Schleim vergraben war. Und sie entdeckten immer mehr, halb verborgen und kaum zu erkennen in der bläulichen Masse. Es gab neue und alte, manche waren verrostet, andere sahen aus wie kaum gebraucht: große und kleine Kanister, Metalltrommeln, Bleigefäße, Kapseln, groß wie Schuhkartons. An manchen Stellen waren sie regelrecht übereinandergestapelt, sodass der blaue Schleim um sie herum kleine Hügel bildete. An anderen Stellen blubberten dicke Blasen, wie Luft, die aus einem heißen Geysir zischt.
    »Das geht schon seit Jahren so«, sagte Roddy. »Hier ist jede Menge Dreck abgeladen worden.«
    »Aber kannst du erklären, was der Dreck … angerichtet hat?«, fragte Kate, die voller Entsetzen auf die Monitore sah.
    »Ich kann nur spekulieren. Wenn hier alles abgeladen worden ist, von Agent Orange bis zu VX -Nervengas, dann weiß der Himmel, ich meine … es könnten Reaktionen zwischen unterschiedlichen Typen chemischer Waffen entstanden sein, und niemand kann sagen, was dabei herauskommt. Und es könnte auch zu Verbindungen mit der anderen Materie hier unten gekommen sein. Wo ist zum Beispiel das Benthal? Die Benthal-Zone besteht aus Milliarden Tonnen toter Flora und Fauna, es ist reiner Kraftstoff, wo ist es also? Es muss aufgesogen oder vereinnahmt worden sein … und durch den Druck hier unten könnten unvorhergesehene Reaktionen auftreten, vulkanische Aktivität, hydrothermale Winde mit Temperaturen bis zu vierhundert Grad Celsius …« Er stieß langsam die Luft aus. »Ich kann es in diesem Stadium nicht erklären, ich kann es lediglich vermuten. Das müssen die Laborleute abklären.«
    Falkland ging mit der Kamera näher an einen Kanister heran. Kommandant Gerhardie kniff die Augen zusammen.
    »Noch näher«, sagte er.
    Der graue Metallbehälter lag oben auf dem Schleim, so groß wie ein Koffer. Er war über und über mit dem Totenkopfzeichen bedeckt, in der rechten Ecke stand etwas auf Russisch, und am Boden war zu lesen »Europäische Union/St Johnston Atoll CW Entsorgungsanlage«.
    »So werden unsere Steuergelder verwendet«, sagte Gerhardie angewidert.
    *  *  *
    Etwa achtzehn Kilometer entfernt trieb ein schwarzer Schatten langsam im Ozean. Er zog ein großes Schleppsonar hinter sich her. Wie jedes U-Boot war er taub und blind, wenn er schnell fuhr – ab zwanzig Knoten aufwärts –, aber bei geringer Geschwindigkeit konnte ein Kontakt auf vierzig Kilometer gepingt werden. Warum war also nichts zu hören?
    Kommandant Mikhail Zemtsov stand im Schallraum dieses russischen U-Boots, schaute dem Sonar-Operator über die Schulter und versuchte, sich seine Nervosität nicht anmerken zu lassen. Im östlichen Teil des sogenannten SONAZ -Gebiets waren zehn oder zwölf Quadratkilometer einfach unsichtbar. In einer Hinsicht war der Kontaktverlust mit dem anderen U-Boot das Beste; wenn diese Briten doch nur für immer und ewig im Abgrund des von ihnen selbst ausgehobenen Lochs versinken würden … Aber wenn nun das Verschwinden des U-Boots nicht den Untergang der Tenacious bedeutete, sondern ein erfolgreiches Entkommen?
    Der Sonar-Operator seufzte melodramatisch und zuckte mit den Schultern, als ob er sagen wollte: Was für einen Sinn hat es zu pingen, wenn nichts zurückkommt?
    »Versuch es einfach weiter«, sagte der Kommandant verärgert. Ein schlecht ausgebildeter, unmotivierter Wehrpflichti- ger, schäumte er innerlich, früher hat es so etwas nicht gegeben …
    Der Kommandant hatte sein erstes Kommando auf einem Diesel-U-Boot am Ende der Sowjetära gehabt. Zemtsov trauerte den tyrannischen Gewissheiten dieses Regimes weiß Gott nicht nach, wie so viele seiner Offizierskameraden es anscheinend taten. Und doch: Wie aufregend es gewesen war, Teil einer gefürchteten, mächtigen Seemacht zu sein!
    Er verließ den Schallraum und ging in seine private Kajüte, nur eine Schuhschachtel, aber seinem Rang entsprechend ganz für ihn allein. Eine Thermoskanne mit starkem schwarzem Kaffee wartete hier auf ihn, und er schenkte sich nachdenklich eine kleine Tasse ein. Gleich würde Klepko, seine Nummer zwei, zur Besprechung kommen. Wie würde er wohl auf das, was er ihm zu sagen hatte, reagieren? Bekümmert schüttelte er den Kopf. Als die Sowjetunion zusammengebrochen war, war in die Militärmacht des Mutterlands nichts mehr investiert

Weitere Kostenlose Bücher