Tief
endgültig den Willen verloren, Journalisten zu respektieren.«
»Was ist passiert …?«
»Ich war in Kalifornien und habe versucht, Mittel aufzutreiben, damit wir eine Auffangstation für verletzte Wale bauen konnten, die mit Schiffen zusammengestoßen sind. Ein Fernsehsender rief an – ein toter Pilotwal sei an einen Strand gespült worden und ob ich bereit sei, dorthin zu kommen und ein Interview zu geben? Ich sagte zu, unter der Bedingung, dass ich auch etwas zur Auffangstation sagen konnte. Ich fahre also dorthin, ein toter Pilotwal liegt da – ein wunderschönes Tier –, und wir machen das Interview. Es ist schon kurz vor Sonnenuntergang. Inzwischen sind auch noch zwei lokale Fernsehsender vor Ort, deshalb mache ich für sie auch noch was. Es scheinen nette Leute zu sein, vielleicht ein wenig oberflächlich, aber aufrichtig interessiert an den Themen, die ich anschneide. Dann fahre ich rasch nach Hause, um meine Kamera zu holen, die ich vergessen habe, weil ich den Wal noch fotografieren will.«
Er wandte sich zu ihr, und sie sah, dass seine Augen feucht schimmerten.
»Etwa anderthalb Stunden später komme ich wieder an den Strand. Mittlerweile ist es dunkel geworden, aber bei dem Wal hält sich noch eine kleine Gruppe von Leuten auf, ein paar Lagerfeuer brennen, Musik wird gespielt. Es wirkt alles ein bisschen seltsam, und als ich näher komme, erkenne ich Leute von den Fernsehteams wieder, die mit ein paar anderen tanzen und Bier trinken. In der Schnauze des Pilotwals steckt ein aufgeblasener Wasserball, sein Blasloch haben sie als Aschenbecher missbraucht, es ist voller Zigarettenstummel, und in seinem Anus steckt eine leere Whiskeyflasche. Sie haben dem Wal die Schwimmflossen abgehackt – als Souvenirs. Und während ich noch fassungslos dastehe, steht einer der Typen, die mich interviewt haben, auf und pinkelt an den roten Stummel einer Flosse. Und da wusste ich …« Roddy machte eine hilflose Handbewegung. »Gott, ich bin müde«, sagte er schließlich.
»Es tut mir leid. Ich kenne solche Typen. Aber es gibt auch viele anständige, die versuchen, das Richtige zu tun.«
»Ich habe Fotos von dem gemacht, was ich da gesehen habe, und weißt du was? Keiner wollte sie drucken.«
»Oh.«
»Die furchtlosen Aufdecker von Missetaten und Ungerechtigkeiten schlossen ihre Reihen wie eine römische Legion. Und noch was: An dem Abend haben sie in den Nachrichten alles herausgeschnitten, was ich über die Auffangstation für Wale, die durch Schiffe verletzt wurden, gesagt habe. Sie wollten es sich mit den Reedern nicht verderben, weil von ihrem Geld auch Nachrichtensender gesponsert werden. Verstehst du? Und ich habe einfach …«
Sie wartete darauf, dass er weiterredete, aber er schwieg. Ich wünschte, dachte sie, ich wünschte, ich könnte ihm klarmachen, dass ich nicht zu diesen Leuten gehöre. Vielleicht bestand mal die Gefahr, dass ich so werde, aber jetzt nicht mehr. Sie rang um passende Worte, aber ihr fiel nichts ein.
Schließlich sagte sie: »Roddy?«
»Ja?«
»Ich kann es kaum erwarten, nach Hause zu kommen, weißt du das?«
»Ja.«
»Endlich wieder festen Boden unter den Füßen, in einem richtigen Bett schlafen.«
»Ja …«
»Roddy, wenn du eine Zeit lang bei mir wohnen möchtest …«
Sie machte ihm das Angebot so unschuldig wie möglich, aber ihr war natürlich klar, dass er genau wusste, was sie sagte.
»Ja, das ist wirklich großzügig von dir.« Roddy schwieg. Dann räusperte er sich. »Ach, weißt du, ich glaube, ich werde eine Weile bei Whitaker wohnen.«
»Ja, natürlich. Okay.«
Der Konteradmiral, der ihnen gegenübersaß, musterte sie wie Affen im Käfig. Ich wünschte, ich könnte einfach sagen, was mir durch den Kopf geht, dachte sie. Minuten vergingen, in denen sie überlegte, wie sie es am besten formulieren sollte. Die Rotoren knatterten über ihren Köpfen. Und dann hörte sie in ihren Kopfhörern plötzlich seine schweren, gleichmäßigen Atemzüge. Er war eingeschlafen.
Epilog
Achtundvierzig Stunden nachdem Roddy wieder in England war, war das schöne Sommerwetter vorbei. Regen rauschte auf Lancashire nieder. Der Himmel über Blackpool war schmutzig und grau, das Meer wirkte aufgewühlt und feindselig, und die Szene am Strand sah aus wie ein Bild aus der Tierhölle. Von den dreieinhalbtausend gestrandeten Walen waren fast zweitausendachthundert tot. Die Verletzungen beim Stranden, Dehydrierung, weil in den ersten Tagen kein Wasser gesprüht worden war, und
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