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Tief

Tief

Titel: Tief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Croft
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dort herumstehen lassen. Ich kann dir nur raten, den morgigen Tag mit einer kleinen Pressekonferenz zu beginnen.«
    »Nun, das sollte ich vielleicht, werde ich aber nicht. Ich habe bereits beschlossen, dass ich nichts mehr mit ihnen zu tun haben will.«
    »Dann ist das deine Beerdigung.«
    »Wen höre ich da im Hintergrund? Lizzie?«
    »Ja, ich soll ihr bei den Hausaufgaben helfen – ich komme gleich, Liebling!«, rief er.
    »Wie geht es ihr, Derek?«
    »Sie ist … ach, gut. Ihre letzte Hauttransplantation ist gut verlaufen. Ich glaube, so langsam akzeptiert sie, was ihr passiert ist.«
    »Und du?«
    Derek schwieg.
    »Ich werde es nie akzeptieren«, sagte er dann.
    Vor achtzehn Monaten hatte Dereks halbwüchsige Tochter mit ihrem dreijährigen Neffen in der Küche gespielt. Sie saßen auf dem Fußboden. Über ihnen hatte ein Topf mit heißer Suppe auf dem Herd gestanden, und der Griff ragte über den Rand hinaus, etwas, das Derek sich niemals verzeihen würde. Der kleine Junge wollte aufstehen und hielt sich dabei an dem Griff fest. Er umklammerte ihn noch, als er wieder auf sein Hinterteil plumpste. Der kochend heiße Inhalt verfehlte ihn, aber nicht Lizzie. Derek hörte immer noch ihre furchtbaren Schreie.
    »Sie ist hart im Nehmen«, sagte Roddy, der wusste, dass Derek mit den Tränen kämpfte. »Sie wird es überleben, Derek. Und sie wird wieder gesund.«
    »Sie macht sich schreckliche Sorgen wegen der Jungs«, kam die raue Antwort.
    »Ich weiß.«
    »Ich gehe jetzt besser zu ihr. Heute Abend ist die Französische Revolution dran.«
    »Ich dachte, die wäre schon seit über zweihundert Jahren vorbei. Gib ihr einen Kuss von mir, ja?«
    »Mach ich. Und, Roddy …«
    »Ja?«
    »Viel Glück morgen.«

6
    Die Suche nach der notwendigen Unterstützung und Finanzierung für seinen innovativen Plan erwies sich als frustrierende Erfahrung. Roddy brauchte den größten Teil der Nacht und fast den gesamten Vormittag, um das Konzept den Behörden gegenüber durchzusetzen.
    »Spülmittel? Ist das Ihr Ernst?«, war eine der typischen Fragen. »Brauchen Sie jedes Mal Tausende Liter Fairy Liquid, wenn ein Wal strandet?«
    »Normalerweise warten wir auf die Flut, und dann geben wir dem Tier einen Schubs«, hatte Roddy geantwortet, »aber normalerweise wiegt es auch nicht fünfzig Tonnen, ist nicht wie ein Torpedo auf dem Strand aufgeschlagen und liegt über der Flutlinie – wenn Sie mit der Situation lieber normal umgehen wollen, dann können Sie ja abwarten, wie normal es in Brighton noch ist, wenn am Strand ein fünfzigtausend Kilogramm schwerer Kadaver zum Himmel stinkt.«
    Als er sie endlich für seinen Plan gewonnen hatte, verstrich noch mehr kostbare Zeit bei der Organisation der praktischen Details. Am Nachmittag wurde der Höhepunkt der Flut erwartet, und er musste eine kleine Armee von Freiwilligen auswählen und ihnen das Vorgehen erklären. Da er seinem Zeitplan sowieso schon hinterherhinkte, übertrug Roddy diese Aufgabe Whitaker. Zu dem ganzen anderen Stress kam auch noch die Presse hinzu. Wann immer er aufschaute, in ihre Nähe kam oder sich an der Nase kratzte, begannen sie zu schreien.
    »Sir! Sir!«
    »Dr. Ormond!«
    »Dr. Ormond, bitte, Sir!«
    »Eine Stellungnahme für die BBC !«
    »Daniel Houghton von ITN  …«
    »Stimmt es, dass der Wal stirbt?«
    Ruhe hatte er nur bei Blackfin. Als Roddy auf ihn zuging – er war vermutlich das ruhigste Säugetier am ganzen Strand, dachte Roddy –, hüllte ihn der feine Nebel der Fontäne ein. Die Sonnenstrahlen wurden gebrochen und von den Wassertropfen reflektiert, und für ein paar Sekunden konnte Roddy sich an einem perfekten Regenbogen erfreuen. Hallo, alter Freund, murmelte er unhörbar, heute gehst du wieder nach Hause. Zurück in den weiten, tiefen Ozean. Ich wünschte, ich könnte nur einen Tag lang mit dir gehen, einfach nur, um zu erleben, wie es ist, in deiner Haut zu stecken.
    Blackfin versteht, dass die Menschen ihn wieder ins Meer bringen wollen. Warum sonst hätten sie ihm diesen Mann geschickt, seinen Retter von damals? Und doch erleichtert ihn das Wissen nicht. Er fühlt sich so hilflos wie kurz nachdem er gestrandet ist, als er zum ersten Mal sein ganzes Gewicht gespürt hat. Wie sollen Wale und Menschen nur miteinander kommunizieren, über die Grenzen ihrer fremden Gehirne hinweg?
    Roddy streichelte Blackfin und vergaß die Zeit. Whitaker unterbrach ihn.
    »Roddy, wir haben nur noch eine Dreiviertelstunde, bis deine Spülmittelleute hier

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