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Tief

Tief

Titel: Tief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Croft
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sind.«
    »Ja. Ja …«
    Roddy bedauerte fast, dass es schon so weit war. Aus der Tiefe von Blackfins Unbewusstem stieg etwas zu ihm auf, er spürte es, auch wenn er es nicht in Worte fassen konnte. Es hat einen Grund, dass er hier ist, dachte Roddy, er will mir etwas sagen …
    »Roddy, Roddy!«
    »Ja.« Er gab den beiden Männern, die das Spülmittel pumpen sollten, Anweisungen. Kurz vor Eintreffen der Flut mussten die Kiesel direkt vor Blackfin besprüht werden, der kritische Punkt kam jedoch gegen Ende des Balance-Akts, und dafür wurden Hunderte von Freiwilligen gebraucht.
    Die Freiwilligen standen in einer Gruppe zusammen, jeder hielt eine von Whitaker ausgestellte Zutrittskarte in der Hand. Als Roddy sie sah, huschte ein erschöpfter, ungläubiger Ausdruck über sein Gesicht. Er warf Whitaker, der die Augen niederschlug, einen Blick zu.
    »Oh, Whitaker … Oh, Whitaker, du trauriger Mann.«
    »Was?«
    »Danke. Ich meine – danke. Aussehen wird das großartig. Hervorragend. Ganz toll.«
    »Ich habe sie alle nach Verdiensten ausgewählt«, protestierte Whitaker.
    Mindestens drei Viertel der Freiwilligen waren junge Frauen. Kopfschüttelnd trat Roddy auf die Gruppe zu.
    »Zunächst einmal danke, dass Sie uns helfen wollen«, rief er. »Es wird ein interessantes Abenteuer für uns alle werden. Sie fragen sich wahrscheinlich, warum ich so viele Freiwillige brauche. Der Grund dafür ist, dass wir den Wal zehn Minuten bevor er zurück ins Wasser geht von einer Seite auf die andere schaukeln müssen.«
    Vierhundert Augenpaare blickten ihn verständnislos an.
    »Warum?«, fragte jemand.
    »Weil sonst der Wal wie ein Bumerang zurückkommt – also, wir würden ihn ins Wasser bringen, er würde einen großen Kreis schwimmen und erneut stranden. Das ist in der Vergangenheit häufig bei Rettungsversuchen passiert, und es hat zu dem Mythos geführt, Wale hätten Todessehnsucht. Aber sie verlieren lediglich ihr Gleichgewichts- und Koordinationsgefühl, wenn sie an Land stranden, weil sie dann in einem bestimmten Winkel liegen. In diesem speziellen Fall liegt der Wal ganz gerade – was sehr ungewöhnlich ist –, sodass sein Gleichgewichtssinn vielleicht ungestört ist. Aber wir wollen natürlich auf keinen Fall ein Risiko eingehen. Gut, haben Sie noch Fragen?«
    »Er ist … groß«, sagte jemand. Die anderen lachten nervös.
    »Er ist gewaltig. Ihn hin und her zu schaukeln, wird schwere Arbeit sein. Wir machen das nicht zum Spaß. Wenn jemand gesundheitliche Probleme hat, würde ich ihm raten, davon abzusehen. Und noch etwas: Passen Sie auf, dass Sie stehen bleiben, sonst werden sie platt gewalzt. Okay?«
    Die Leute nickten zögernd.
    »Wenn wir auf den Wal zugehen, dann geschieht das langsam und leise, in einer Reihe. Mein Assistent und ich werden dicht beim Wal stehen, jeder an einem Auge. Stellen Sie sich bitte am Wal entlang auf und achten Sie darauf, dass Sie an etwas Schönes denken. Das meine ich ganz ernst. Ich persönlich glaube, dass die Tiere zwar unsere Handlungen nicht verstehen, dass sie aber unsere Absichten spüren. Okay, noch Fragen? … Gut. Bitte warten Sie hier bei meinem Assistenten, bis wir so weit sind. Danke noch mal.«
    Als er sich abwandte, rief jemand: »Warum haben Sie so viele Frauen ausgesucht?«
    »Gute Frage!«, sagte Roddy. »Mein Assistent wird sie Ihnen gerne beantworten.« Er zwinkerte Whitaker zu. Als er wegging, fiel ihm eine Frau unter den Freiwilligen auf. Er fragte sich, woher er sie wohl kannte. Sie war jung und sehr attraktiv, und sie hatte ganz wirres, verfilztes Haar. Es sind ihre Augen, dachte er – sie sind so intensiv.
    Aber er hatte jetzt keine Zeit zu grübeln. Er ging zu den Männern an den Pumpen und gab ihnen letzte Anweisungen. Dann traten er und Whitaker zu Blackfin, stellten sich jeder an ein Auge und murmelten ihm beruhigende Worte und Laute zu. Fünf Minuten später nahmen die Freiwilligen unter ihrer Aufsicht ihre Plätze ein.
    Mittlerweile waren sieben Fernsehteams vor Ort, um das Ereignis aufzuzeichnen, und die Menge der Schaulustigen war auf fünftausend angewachsen. Während die Flut an der Schwanzflosse des Tiers leckte, stand Roddy stocksteif da und nahm alles in sich auf: die Menschen, die Medien, die spürbare Erwartung, die Freiwilligen und Blackfin, so mächtig, so geheimnisvoll, gestrandet wie ein Gott, der seine Macht verloren hatte … Erregung und Panik stiegen in Roddy auf. Er gab das Zeichen, das die Operation beginnen konnte.
    Er hatte nicht

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