Tief
dass sie mit der Zeit schon ihre eigenen Vorstellungen entwickeln würde. Aber im Moment war sie trotz der Klischees dankbar dafür, dass der Materialismus ihrer Herkunft zerschlagen wurde.
Schließlich betrat sie die Küche und fand dort eine Nachricht vor:
Ally, ich weiß, dass ich dir versprochen hatte, hier zu sein, aber in Brighton Beach ist ein großer alter Wal gestrandet – das musste ich mir anschauen! Komm auch dorthin! In Liebe D.
* * *
Roddy hatte kaum Zeit gehabt, darüber nachzudenken, wie er Blackfin wieder zurück ins Wasser bekommen sollte, deshalb rief er am Abend aus der billigen Pension, in der er wohnte, seinen Kollegen Derek Petersen an, um mit ihm darüber zu sprechen.
»Erste Priorität ist es, ihn in guter Verfassung zu halten und zu überlegen, wie wir ihn wieder zurück ins Wasser bringen können«, erklärte er. »Aber ich kann hier nicht auf die übliche Weise vorgehen. Du weißt ja bestimmt, dass es sich hier um Kiesstrand mit ein paar steilen Stellen handelt. Und weil er mit hohem Tempo hier angekommen ist, hat er ja auch einen Graben gezogen.«
»Unglaublich.«
»Zum Glück ist er bei Ebbe gestrandet. Morgen wird die Flut den Wasserstand um etwa drei Meter anheben, aber nachdem ich mir heute die Flut angesehen habe, ist mir klar geworden, dass der größte Teil von ihm trocken bleiben wird. Wenn es bloß um mechanische Vorrichtungen ginge, könnten wir ihn mit einem Kran hochziehen, aber die Frage ist eben, wie wir es hinkriegen, ohne ihn zu verletzen.«
»Und, hast du eine Idee?«
Eine lange Pause trat ein. Roddy lag auf dem schmalen Pensionsbett und wackelte mit den Zehen; ich habe überhaupt keine Idee, dachte er. Schließlich brach Derek das Schweigen und erzählte von einem ihrer Kollegen in Neuseeland, der kürzlich eine Herde von Pilotwalen erfolgreich wieder ins Wasser gebracht hatte.
»… und das waren vierzehn Tiere!«, rief Derek aus.
Das spielt keine Rolle, dachte Roddy. Er rieb sich übers Gesicht. Er hatte einen Sonnenbrand, weil er sich den ganzen Tag über im Freien aufgehalten hatte, und die Inhaberin der Pension hatte ihm eine Creme gegeben. Seine Finger glitten über den Fettfilm. Die andere Hand hing über der Bettkante. Müßig spielte er mit der Ecke eines Sitzsacks.
»… aber es war eine völlig andere Situation – der Strand ist dort ganz flach und sandig …«
Der Sitzsack war mit Tausenden winziger Plastikkügelchen gefüllt. Er rollte sie durch den Stoff zwischen den Fingern. Wenn ich nur wüsste, wie ich den Wal zurück ins Wasser bekomme, dachte er.
»Ein Schiff zu Wasser zu lassen ist einfacher«, beklagte sich Derek.
»Ein Schiff …«
Und dann kam alles zusammen. Er sah vor sich, wie ein Schiff langsam über eine Rampe ins Meer glitt, ein anderer Teil seines Gehirns brachte die Plastikkügelchen zwischen seinen Fingern mit den Kieseln am Strand in Verbindung, die fettige Creme in seinem Gesicht …
»Kugellager«, stieß er hervor.
»Wie bitte?«
»Wir tränken die Kiesel in Öl, nein, kein Öl, irgendetwas Wasserlösliches und dermatologisch Neutrales – und es wird wie ein geschmiertes Kugellager funktionieren: Der Wal kann darauf ins Wasser gleiten!«
Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen. Schließlich sagte Derek: »Das, äh, das ist kein schlechter Plan, Roddy. Man sollte zumindest mal darüber nachdenken.«
»Der Kies ist perfekt dafür.«
»Du bist irre! Wie bist du denn plötzlich darauf gekommen?«
»Durch Hautcreme und einen Sitzsack.«
»Was?«
Nach zehn Minuten stand das Konzept, und sie hatten eine originelle Technik ausgearbeitet, mit der gestrandete Wale wieder ins Wasser gebracht werden konnten.
»Hoffentlich funktioniert es«, murmelte Roddy besorgt.
»Ich sehe keinen Grund, warum es nicht funktionieren sollte, vorausgesetzt, wir haben nichts übersehen.«
»Wenn es nicht klappt, dreht die Presse mich durch den Fleischwolf. Hast du diese Frau in den Nachrichten gesehen?«
»Ja, ich wollte es nur nicht ansprechen. Kann ich dir einen Rat geben?«
»Klar.«
»Sie hat dich untergebuttert, weil du ihr Spiel nicht mitgespielt hast.«
»Sie war überhaupt nicht an den Fakten interessiert.«
»Das lag daran, dass du dich nicht an die Regeln gehalten hast –«
»Ich hasse diese Regeln!«
»– und Regel Nummer eins ist, dass du die Presse so früh wie möglich mit Nachrichten versorgst.«
»Ich hätte sie am liebsten ganz ignoriert.«
»Ja, du hast sie ja auch fast den ganzen Tag
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