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Tief

Tief

Titel: Tief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Croft
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selbstsicheren jungen Männern; zwei von ihnen hießen Peter und einer Alistair.
    Während einer Spielpause fiel Roddy ein Oxford-Student auf, der ganz allein an der Theke stand. Er war um fast ein Viertel größer als die meisten anderen Studenten, wirkte dabei aber linkisch und ungelenk. Er machte einen zögerlichen Eindruck, starrte aber die ganze Zeit aus großen, dunklen Augen Theresa an. Roddy kehrte wieder an seinen Tisch zurück, wo ihn bereits eine neue Runde Domino erwartete. Sie tranken und plauderten, und das Spiel war bereits in vollem Gang, als der Oxford-Student mit dem intensiven Blick an den Tisch trat.
    »Scheiße«, hörte Roddy einen der Mitspieler murmeln.
    »Domino?«, fragte der Neuankömmling.
    Die Antwort war zu offensichtlich, und verlegenes Schweigen trat ein. Theresa hatte auf einmal das Gefühl, seine erstaunlichen Augen flehten sie an, ihm zu helfen.
    »Möchtest du mitspielen?«, fragte sie.
    Das Lächeln, das über sein Gesicht glitt, war seltsam berührend. Eifrig zog er sich einen Stuhl heran und schaffte es irgendwie, ihn zwischen Roddy und Theresa zu quetschen. Roddy spürte, wie sich die Oberschenkel des Mannes an ihn drückten, und Theresa rutschte diskret zur Seite. Kurz bevor das neue Spiel begann, sprang der Neuankömmling plötzlich auf.
    »Wer möchte etwas zu trinken?«
    »Ich habe gerade eine Runde ausgegeben«, erwiderte Alistair.
    »Ich bestelle noch eine.«
    »Nein, ist schon gut.« … »Nein, danke.« … »Noch nicht«, riefen alle durcheinander.
    Rattigan schluckte, blieb jedoch stehen, als ob er all seine Würde sammeln müsste. »Ich habe genug Geld«, sagte er und ging zur Theke.
    »Ach, du lieber Himmel«, sagte einer der beiden Peter, »den Abend können wir direkt in die Tonne kippen, jetzt, wo Fünf Grad aufgetaucht ist.«
    »Fünf Grad?«, fragte Theresa.
    »Fünf Grad Rattigan.«
    »Weil er immer fünf Grad danebenliegt, egal, um was es geht«, erklärte Alistair. Alle lachten.
    »Eigentlich sind es eher neunzig Grad.«
    »Hundertachtzig.«
    »Ist er wirklich so schlimm?«, fragte Roddy.
    »Es wäre halb so wild, wenn ihm nicht alles immer sofort auf den Magen schlagen würde.«
    »Es wäre halb so wild, wenn er öfter was im Magen hätte, meinst du«, sagte ein Peter. »Er lebt nur von einem kleinen Stipendium, und er hat keine Eltern, glaube ich … Im Grunde isst er nie etwas. Und er reagiert so empfindlich darauf, als arm wahrgenommen zu werden, dass er das bisschen Geld, das er hat, völlig unnütz ausgibt, so wie jetzt.«
    »Magst du ihn nicht?«, fragte Theresa.
    Peter zögerte. »Es ist nicht so, dass ich ihn nicht leiden könnte, aber er lässt es gar nicht zu, dass man ihn mag, er legt einem einfach zu viele Steine in den Weg. Ich meine, ich weiß ja, dass er klug und interessant ist, aber er ist einfach nicht sehr …«
    »Verträglich«, warf einer ein.
    »Er glaubt, alle würden ihn hassen«, sagte Peter.
    »Und deshalb …«, ergänzte der zweite Peter.
    »Tun es auch alle«, beendete Alistair den Satz. Erneut lachten alle. »Nein, das hätte ich nicht sagen sollen, das stimmt nicht. Als Geologe ist er sogar unglaublich gut. Er wird bestimmt mal einer der besten.«
    Die neue Runde kam. Es standen bereits sechs Gläser und das Dominospiel auf dem Tisch, und für weitere sechs Pints war kaum genug Platz. Rattigan räumte den Tisch ungeschickt um, Bier lief über die Tischplatte. Niemand hatte mehr Lust zu spielen, aber Rattigan, der seinem Spitznamen alle Ehre machte, bekam davon nichts mit. Er ermahnte sie, weiterzumachen, und um ihn nicht zu beleidigen, gehorchten sie. Die Gespräche flachten ab, und Roddy beobachtete mit beinahe morbider Faszination, wie Rattigan die Atmosphäre zerstörte. Rattigan spielte mit großer Begeisterung, als ob es etwas beweisen würde, wenn er beim Dominospielen gewann. Dann fiel Roddy auf, dass er immer gleichzeitig mit Theresa sein Glas aufnahm, trank und es wieder abstellte. Geschah das absichtlich oder unbewusst? Roddy kämpfte mit dem Lachen, und als er zufällig Alistairs Blick begegnete, war es um ihn geschehen. Beide beugten sich mit zuckenden Schultern über ihre Biergläser.
    »Du bist dran«, sagte Rattigan zu Roddy.
    Roddy und Alistair brüllten vor Lachen, und innerhalb kürzester Zeit lachten alle. Alle außer Rattigan, der unbehaglich lächelte. Verwirrt sah er sich um, aber dann stimmte auch er in das allgemeine Gelächter ein, mit einem dröhnenden »Ha-ha-ha!«. Das bewirkte, dass alle anderen

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