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Tief

Tief

Titel: Tief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Croft
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schoss das Blut heraus, und er sprang zurück, um nicht von dem roten Strahl getroffen zu werden. Alles um ihn herum war rot, und Roddy dachte immer wieder nur Gott, Gott …
    Und dann übernahmen die Norweger und begannen mit ihren Metzgerwerkzeugen, den Wal zu zerlegen. Roddy war übel, als er heraustaumelte. Die Menge raste, und eine Welle von Hass schlug ihm entgegen. Nervös blickte er zu den Leuten hinüber und lief hinter die nächste Abschirmung.
    Es wurde auch nach dem zweiten und nach dem dritten Wal nicht leichter. Roddy fühlte sich kaum noch wie ein Mensch. Seine Hose, sein Hemd, sein Hals, alles war blutbespritzt. Mechanisch ging er zum nächsten Wal. Er wusste noch nicht einmal mehr, welche Spezies er gerade getötet hatte. Der Vorgang hatte einen mechanischen Rhythmus angenommen: dem Team zunicken, niederknien, den Punkt aussuchen, zielen, zustechen …
    »Roddy. Roddy!«
    »Hmm?«
    »Kate Gunning war in den Nachrichten«, sagte Derek, der mit gerötetem Gesicht neben ihm durch den Kies stapfte. »Irgendwie hat sie Wind davon bekommen, dass du vor Jahren die Untersuchungen zu Walpopulationen gefälscht hast.«
    Roddy blieb stehen und starrte ihn ungläubig an.
    »Was?«
    »Es ist absurd, aber sie bringen es in den Nachrichten wie einen Skandal, als ob du ein Betrüger wärst.«
    »Verfluchte Scheiße! Verdammt! Verdammt noch mal!« Er vergaß sich kurz, konnte nur noch seiner Frustration Luft machen. »Ich versuche doch nur, meine Arbeit zu tun!«
    »Sie fordern dich auf, dein Amt niederzulegen. Und da ist noch was. Es tut mir leid, aber Kamala Mohandhas ist zurückgetreten. Sie will eine Erklärung abgeben, warum sie dich nicht unterstützen kann.«
    Derek sah den Schock auf dem Gesicht seines Freundes. Genau, Roddy, dachte er. Kamala ist öffentlich zurückgetreten, und wenn du nicht bald mit den Medien klarkommst, wirst du von dieser Position entfernt, und was hast du dann erreicht? Warum willst du denn nicht endlich Vernunft annehmen?
    »Roddy, hör mir zu«, versuchte er es ein letztes Mal. »Du musst einsehen, dass du mit der Presse reden musst. Wie sollen sie dich sonst verstehen? Du musst ihnen alles erklären, das kannst du doch; warum wir auf die Springflut warten, warum du die Nekropsien machen musst, die Umstände der gefälschten Untersuchungsergebnisse. Ich flehe dich an, es ist deine letzte Chance!«
    Was ist bloß mit allen los?, wütete Roddy im Stillen. Meine letzte Chance? Was spielt denn meine letzte Chance für eine Rolle, was spielen die Medien für eine Rolle? Es geht doch nur um die Wale. Warum bin ich anscheinend der Einzige, der das versteht? Er war so wütend, er hätte Derek am liebsten angeschrien. Stattdessen knurrte er nur eine barsche Antwort.
    »Ich werde keine Minute damit verschwenden, mich vor ihnen zu rechtfertigen.«
    Kopfschüttelnd wandte Derek sich ab. Er ging hinauf zum Strand und ließ Roddy allein. Allein mit den vier Walen, die er noch töten musste.
    *  *  *
    3.00 Uhr morgens. Die sieben Tiere waren tot. Zwei von ihnen waren bereits zerlegt und in den Kühlwagen verstaut worden, die an der Promenade geparkt waren, einer für jedes Tier. Es hatte sich als unmöglich erwiesen, der Menschenmenge den grausigen Anblick zu ersparen. Männer in blutbeschmierten Overalls arbeiteten in Gruppen, um große Kadaverteile in die Wagen zu heben.
    Um 3.30 Uhr verließ Roddy den Strand. Er war völlig erschöpft. Am Operations-Center blieb er kurz stehen, um Derek anzurufen. Er wollte sich unbedingt bei ihm entschuldigen. Das Telefon läutete und läutete, aber Derek hob nicht ab. Roddy gab auf und ließ sich von seiner persönlichen Schutztruppe durch die wütenden Menschenmassen führen. Die fünf Polizeibeamten drängten dicht an ihn heran, um einen menschlichen Schutzschild zu bilden. Je näher sie den protestierenden Schaulustigen kamen, desto ohrenbetäubender wurde der Lärm, der Roddys Kopf schon die halbe Nacht erfüllt hatte. » ORMOND RAUS ! ORMOND RAUS !« Eine weitere Polizeitruppe vor ihnen versuchte, eine Gasse durch die Menge zu bahnen. Die Leute drängten und schrien, Pressefotografen machten ihrem Unmut Luft, und Fernsehkameras übertrugen das Chaos.
    Detective Sergeant Gray packte Roddy am Kragen seiner Regenjacke.
    »Schnell, schauen Sie nicht auf, reagieren Sie nicht auf Provokationen!«
    Dann wurde Roddy weitergeschoben.
    »Ormond, du Scheißkerl!«
    »Du beschissener Mörder!«
    »Du Stück Scheiße!«
    Etwas Nasses traf Roddys

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