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Tief

Tief

Titel: Tief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Croft
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die Einkerbungen ist doch vermutlich, dass sie den Wissenschaftlern bei zukünftigen Vorfällen dieser Art helfen können. Warum reagieren die Menschen so heftig auf diese an sich doch so harmlose Prozedur?«
    »Sie betrachten sie nicht als harmlos, Richard, und ich muss sagen, dass solche Prozeduren auch nicht dazu angetan sind. Die Leute wollen eben nicht sehen, wie den Walen mit Sägen zu Leibe gerückt wird.«
    »Nun ja, wir wissen wohl beide, was sie stattdessen sehen wollen.«
    »In der Tat, sie wollen, dass die Tiere sofort wieder ins Meer gebracht werden.«
    »Aber das ist eben erst möglich, wenn in zwei Tagen die Springflut einsetzt.«
    »Wenn das tatsächlich der Fall ist, werden die nächsten achtundvierzig Stunden extrem anstrengend für die Polizei und die Behörden hier in Brighton sein, und natürlich auch für den Mann, der im Zentrum der Geschehnisse steht, Dr. Roddy Ormond.«
    »Und vermutlich ist Dr. Ormonds bestenfalls als exzentrisch zu bezeichnende Einstellung den Medien gegenüber auch nicht besonders hilfreich dabei.«
    »Nein, da haben Sie recht. Die offizielle Lesart ist, dass das Medienzentrum genügend Informationen liefert, aber die Erklärungen von dort sind ziemlich nichtssagend, zumal das Zentrum auch gar nicht leugnet, dass Dr. Ormond nicht in direktem Kontakt mit ihnen steht. Das hat zu einem Mangel an zuverlässigen Informationen geführt, sodass der Eindruck entstanden ist, das Problem würde sich zu einer Krise zuspitzen. Es gibt zahlreiche Gerüchte über Konflikte zwischen den Wal-Experten: Wir wissen bereits, dass einige Tierärzte gegen die Einkerbungen protestiert haben, und eine Journalistin namens Kate Gunning hat angedeutet, dass Dr. Ormond inkompetent sein könnte. Dieses Gerücht hat sich verbreitet wie ein Lauffeuer. Und Dr. Ormond hat anscheinend während all dieser Vorfälle in seinem Hotelzimmer geschlafen.«
    Rattigan schaltete den Fernseher aus und betrachtete seine Fingernägel. Es freute ihn, dass Ormond die Kontrolle der Situation bereits entglitten war. Das erinnerte ihn daran, wie er ihm vor über zwanzig Jahren Theresa ausgespannt hatte, ohne dass Ormond etwas gemerkt hatte. Rattigan verzog das Gesicht zu einem Lächeln; es war ein gutes Gefühl, wenn ein Plan sich so elegant fügte. Und mit ein bisschen Glück würde Gunning in den Spätnachrichten eine interessante kleine Mitteilung zu machen haben. Schon bald würde es mit Ormonds Führungsanspruch vorbei sein.
    *  *  *
    Als Roddy um halb sechs geduscht hatte, fühlte er sich schon sehr viel besser. Vor seinem Zimmer warteten vier Polizeibeamte auf ihn.
    »Hallo«, sagte er verwirrt.
    »Ich bin Detective Sergeant Gray, Sir.«
    »Ja?«
    »Das sind Detective Constables Morrow, Watkins, Carter und Flower.«
    »Ja?«
    «Wir sind Ihre PST , Sir.«
    »Meine was?«
    »Persönliche Schutztruppe, Sir.«
    Roddy schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Wir werden jeden Ihrer Schritte begleiten. Morgen früh um sechs werden wir von Kollegen abgelöst.«
    »Ich brauche keinen Polizeischutz!«
    »Es tut mir leid, Sir, aber Sie irren sich leider! Im Medienzentrum und einigen Tageszeitungen sind Morddrohungen eingegangen. Wahrscheinlich stammen sie von Geisteskranken, aber da Sie in der Öffentlichkeit derzeit starke Gefühle hervorrufen, müssen wir sie leider ernst nehmen.«
    Ein Schauer lief Roddy über den Rücken. Morddrohungen? Das lief ja völlig aus dem Ruder. Wütend drehte er sich um und marschierte den Flur entlang.
    Die fünf Polizeibeamten folgten ihm.

11
    In der Nacht war es am Strand am unheimlichsten. Der fast volle Mond, der an einem wolkenlosen Himmel stand, warf sein Licht über die Wellen und die Leiber der Wale. Die Sterne funkelten wie Stecknadelköpfe am nachtschwarzen Himmel. Es war so schön und passte gar nicht zu dem, was passierte.
    Arbeiter stapften durch den Kies und errichteten große Wandschirme um einzelne Wale. Das gefiel der Menge nicht, und unruhiges Gemurmel wurde laut.
    »Wie geht es dir?«, fragte Derek.
    »Schrecklich.«
    »Willst du das wirklich tun?«
    »Natürlich will ich das nicht«, fuhr Roddy ihn an.
    »Ich verstehe.« Anscheinend kann ich im Moment nichts richtig machen, dachte Derek.
    »Hör mal, Derek, es tut mir leid, ich bin müde, aber …« Merkt er denn nicht, was ich durchmache, dachte Roddy gereizt. Ich stehe unter Polizeischutz, ich muss Wale töten, und er fragt mich, ob ich es tun »will«. »Ich stehe einfach zu sehr unter Druck. Natürlich will ich das

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