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Tief

Tief

Titel: Tief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Croft
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wippte.
    »Das ist Joe.«
    »Sie sind gekommen!«, keuchte Joe außer Atem, als er sie erreicht hatte.
    »Hallo, Joe – das ist Kate Gunning.«
    Joe schaute ungläubig zwischen ihnen hin und her.
    »Ich stelle besser keine Fragen. Danke, dass Sie Ihren Arsch herbewegt haben. Kommen Sie, wir gehen zu Attila.«
    »Liegt sie immer noch auf dem Rücken?«
    »Oh nein, nein, nein, sie hat ihre Strategie geändert.«
    »Was macht sie jetzt?«
    »Das sehen Sie sich besser selbst an.«
    Er führte sie durch den Empfangsbereich von WhaleWorld und eine Treppe hinauf. Als er die Notausgangstür öffnete, peitschte ihnen der Regen ins Gesicht.
    »Was ist das denn für ein Geräusch ?«, fragte Kate.
    Sie standen in der letzten Reihe über dem Delphinbecken. Direkt unter ihnen drängten sich die vier Delphine von Joe eng aneinander. Und von irgendwoher kam eine durchdringende Sequenz von Quietschlauten, die endlos wiederholt wurde. Sie schmerzte eigentlich nicht in den Ohren, war aber irgendwie quälend. Es war, als hörte man ein Baby weinen, könnte aber nicht helfen. Sie stiegen die Stufen hinunter und traten an Attilas Bereich im Becken. Das Tier schwamm direkt auf sie zu, wobei es immer weiter seinen Ruf ausstieß. »Himmel!« Kate wich unwillkürlich vom Rand des Beckens zurück, als Attila ihren großen Kopf hob. Das Quietschen ging immer weiter. Roddy blickte sie wie gebannt an. Sie fleht uns an, etwas zu tun, dachte er. Nur was?
    »Wie lange macht sie das jetzt schon?«
    »Sie hat mitten in der Nacht damit angefangen.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Weil ich zu Hause war und ferngesehen habe, als die Killerwale in London ihre Partynummer abgezogen haben. Da geht mein Telefon, und der Nachtwächter vom Pier ist dran. Hector, fünfundsiebzig Jahre alt und hundert Pfund pure rheumatische Arthritis, hat sich fast in die Inkontinenz-Windeln gemacht vor Angst, weil er glaubte, es wäre ein Geist.«
    »Sie sieht unterernährt aus, Joe.«
    »Sie sieht beschissen aus. Sie hat aufgehört zu fressen.«
    »Immer und immer wieder dieselben Laute.« Roddy hockte sich hin und legte Attila die Hand auf die Schnauze. »Was ist das nur? Ich wünschte, sie könnte mit mir reden.«
    »Und wenn sie es tatsächlich könnte?«, erwiderte Joe.
    »Was?«
    »Mit Ihnen reden?«
    »Was soll das heißen?«, sagte Roddy und erhob sich.
    »Sie redet mit uns.«
    »Sie redet mit uns?«, wiederholte Kate.
    »Sind Sie taub oder was?« Er wandte sich ab und stampfte davon. Über die Schulter rief er: »Kommen Sie mit ins Büro, ja? Wir werden nass.«
    In dem schmutzigen, mit Müll übersäten Büro schlief Jason, Joes junger Angestellter, fest auf einem Drehstuhl, eine aufgeschlagene Zeitung auf dem Schoß.
    »Wach auf!«, schrie Joe.
    Verschlafen stand Jason auf. Seine Augen weiteten sich, als er Roddy erkannte.
    »Sie sind der Mann, der …«
    »Ja, ja, mach uns drei Kaffee«, unterbrach Joe ihn und schob ihn aus dem Raum. Er setzte sich auf den Drehstuhl. »Setzen Sie sich, Roddy, Kate.«
    »Wohin?«, fragte Kate und schaute sich um.
    »Egal. Okay, Roddy, jetzt mal im Ernst. Sie wissen doch, dass gefangene Killerwale darauf trainiert werden, einfache Wörter zu erkennen, oder?«
    »Wörter?«
    »Na ja, wir arbeiten mit unterschiedlichen Pfiffen, die wiederum unterschiedliche Wörter repräsentieren. Eine bestimmte Art von Pfiff kann zum Beispiel »Fisch« bedeuten, und eine andere vielleicht »Ball«.
    »Oh, ich verstehe. Ja, ja, das weiß ich.«
    »Bei Hunden funktioniert das auch«, warf Kate ein.
    »Ja, sicher. Attila hat ein Vokabular von elf Wörtern, okay? Sie kennt die Substantive ›Fisch‹, ›Wal‹, ›Ball‹, ›Mann‹ und ›Wasser‹; sie kennt die Verben ›tauchen‹, ›holen‹, ›springen‹ und ›rollen‹, und sie kennt ›hoch‹ und ›runter‹.«
    Kate ließ sich vorsichtig auf einem Stapel von Aktenordnern nieder.
    »Ein Wal kennt doch den Unterschied zwischen Substantiven und Verben nicht«, sagte sie. Sie sah Roddy an. »Oder?«
    »Nein, aber das spielt keine Rolle. Achtzehn Monate alte Kinder haben auch keine Ahnung, was Substantive und Verben sind, aber sie können trotzdem einfache Sätze verstehen.«
    »Wir fügen die einzelnen Pfiffe zusammen«, fuhr Joe fort, »zu einer Klangsequenz von einfachen Sätzen, die Wale interpretieren können. Wenn der Trainer pfeift Wal-springen-rollen , springt Attila in die Luft und macht eine Rolle. Wenn er pfeift Wal-holen-Ball , holt Attila den Ball. Das wissen Sie,

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