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Tief

Tief

Titel: Tief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Croft
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Nachrichten schuld, dachte er und schnäuzte sich mit einem Trompetenstoß in sein Taschentuch.
    Kein Grund zur Panik, versicherte er sich. Aber es war wirklich übel. Die Jasmine sank, die Marine hatte ihr Notrufsignal aufgefangen …
    Er war allein im Bentley, nachdem er Ally zu Hause abgesetzt hatte. Es hatte ihm gefallen, dass sie nach Hause gekommen war, in sein Haus, ihr Zuhause. Vielleicht wird alles wieder wie früher, dachte er – es ist leichter, wenn Ally zu Hause ist. Ich werde dann nicht so schnell … wütend.
    Das Auto fuhr um den St James’ Park herum, den Birdcage Walk hinunter und bog dann in die Horse Guards Road ein, keine hundert Meter entfernt von 10 Downing Street. Am Ende der Straße fuhr er in einem Konvoi von schwarzen Taxis die Mall entlang bis zum Queen Victoria Memorial.
    Irgendjemand hat Mist gebaut, dachte Rattigan und drückte seine dicken Zeigefinger auf die pochenden Schläfen. Diese Schiffe dürften eigentlich gar kein ausgefeiltes Notrufsystem haben. Wenn sie untergehen, sollten sie keine Spuren hinterlassen.
    Im St James’ Park standen grün-weiß gestreifte Liegestühle auf dem Rasen. Ältliche Touristen ruhten sich darauf aus. Zwei junge Leute lagen knutschend unter einem Baum. Er hatte Küssen immer unhygienisch gefunden. Leise surrte der Bentley weiter, um das Memorial herum. Er sank in die Polster, die Arme mit den Handflächen nach oben auf dem Sitz ausgestreckt, und sein dicker muskelbepackter Bauch ragte auf wie ein Abfallhaufen.
    »Hör mit der Panik auf«, sagte er laut zu sich. »Das ist nicht der Weltuntergang. Das Schiff ist gesunken. Tote erzählen keine Geschichten.«
    Laut Jenkins würden auf einem Schiff der Marine etwa ein Dutzend Männer den Alarm mitbekommen, aber mehr würden sie auch nicht wissen. Sie würden eine verschlüsselte Nachricht an den Vize-Admiral schicken, der für SONAZ verantwortlich war. Und der würde den Zwischenfall auf jeden Fall totschweigen wollen.
    *  *  *
    Ally strich ihrer Mutter über die Haare. Die beiden Frauen waren im Hobbyraum, um sie herum die Früchte von Theresas Arbeit: bestickte Kissenhüllen, bemalte Keramik, Pappmaschee-Puppen, Batiken, Origami, Skulpturen aus Weide.
    »Es tut mir leid«, sagte Theresa leise, »dass ich dich in all das hineinziehe.«
    »Schscht.«
    »Fünf Millionen?« Theresa sprach die Worte ganz vorsichtig aus, als seien sie zu heiß, um im Mund behalten zu werden. »Was um alles in der Welt hat das bloß zu bedeuten?«
    Aber während sie sich von Ally den Nacken massieren ließ, wusste sie, dass es sich um eine rhetorische Frage handelte. Es hatte sie zwar erstaunt zu erfahren, dass ihr Mann Wohltäter für ein Kinderheim war, aber auf seltsame Weise ergab es auch Sinn. Jahrelang hatte ihr ein Stück gefehlt, um ihn zu verstehen, eine Lücke, die sie zwar sah, aber nicht mit einer Antwort füllen konnte. Er war im Kinderheim groß geworden, redete aber nie darüber. Und sie dachte daran, wie seltsam sein Anteil an Allys Erziehung gewesen war, so irreal, als sei das Kind eher etwas, das man anbeten müsse, und kein Mensch aus Fleisch und Blut. Hat es auch schon andere Spenden gegeben? Macht er das mit dem ganzen Geld, das er verdient? Warum hat er es mir nie erzählt? Und wie kann jemand so gute Dinge tun und mich gleichzeitig so grausam schlagen?
    Ally umfasste das Gesicht ihrer Mutter mit den Händen und zog sie hoch, bis sie ihr in die unsagbar traurigen Augen blicken konnte. Ich wusste von nichts, warf sie sich vor und umarmte ihre Mutter; wie konnte ich hier nur aufwachsen, ohne zu sehen, wie verzweifelt und verängstigt sie war?
    »Wie empfindest du jetzt für ihn?«
    »Es ist ein seltsames Gefühl.«
    »Ich möchte, dass du ihn verlässt.«
    »Er würde mich töten, wenn er mich fände«, sagte Theresa. »Das ist die einzige Macht, mit der ich ihn erschrecken kann. Er braucht es, dass ich ihm gehöre, auch wenn er mich hasst.«
    Ally wartete darauf, dass ihre Mutter weitersprach, aber als sie schwieg, fragte sie: »Liebst du Roddy noch? Tust du es deshalb?«
    »Ich habe es nicht getan, weil ich ihn noch liebe. Ich habe es getan, weil es nicht fair ist; er ist ein guter Mann, und ich habe ihn verlassen. Eines Tages möchte ich ihm sagen können, dass ich immer noch seine Freundin war.«
    »Dann wirst du also Daddy doch verlassen?«
    »Wohin soll ich denn gehen?«, fragte Theresa.
    »Wohin du willst.«
    »Ich habe keinen Pass.«
    »Warum nicht?«
    »Er hat ihn irgendwo

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