Tiefe Wunden
vor seinem Tod Besuch von einem Mann, der in einem Sportwagen mit Frankfurter Kennzeichen gekommen ist. Das kann kein Zufall sein.«
Bodenstein nickte anerkennend. Nun rückte Pia mit dem heraus, was sie vor einer halben Stunde von Christina Nowak erfahren hatte.
»Was soll in dieser Kiste drin gewesen sein?«, fragte Ostermann.
»Das weiß sie auch nicht. Aber ihr Mann ist auf jeden Fall sehr viel besser mit Professor Kaltensee bekannt, als der uns weismachen will. Kaltensee und ein Mann namens Dr. Ritter, der früher für Vera Kaltensee gearbeitet hat, waren nach diesem Vorfall in der Mühle mehrfach bei Nowak im Büro.«
Pia holte tief Luft.
»Und jetzt kommt das Wichtigste! Nowak war am Freitag ungefähr zu Watkowiaks Todeszeitpunkt, nämlich gegen Viertel nach zwölf, an dem Haus in Königstein, in dem wir Watkowiaks Leiche gefunden haben. Er hat sich dort mit einer dunkelhaarigen Frau getroffen und ist später mit ihr gemeinsam weggefahren. Das weiß ich von seiner Frau, die ihn zufällig gesehen hat.«
Im Raum herrschte Stille. Marcus Nowak rückte damit aufder Hitliste der Tatverdächtigen wieder auf einen der oberen Plätze. Wer war die dunkelhaarige Frau? Was hatte Nowak an dem Haus gemacht? Konnte er Watkowiaks Mörder sein? Aus jeder Neuigkeit erwuchsen sofort neue Rätsel und Ungereimtheiten.
»Wir fragen Vera Kaltensee nach dieser Kiste«, sagte Bodenstein schließlich. »Aber zuerst werden wir mit diesem Dr. Ritter sprechen. Er scheint eine Menge zu wissen. Ostermann, finden Sie heraus, wo sich der Mann aufhält. Hasse und Frau Fachinger, Sie gehen dem Mord an Frau Frings nach. Befragen Sie morgen weiter die Bewohner des Taunusblick, auch die Angestellten, die Gärtner, die Anwohner und Lieferanten. Irgendwer muss gesehen haben, wie die Dame aus dem Gebäude gebracht wurde.«
»Zu zweit brauchen wir dafür Wochen«, beschwerte sich Andreas Hasse. »Auf der Liste stehen über dreihundert Namen, und wir haben bis jetzt erst mit sechsundfünfzig Leuten gesprochen.«
»Ich sorge dafür, dass Sie Verstärkung bekommen.« Bodenstein machte sich eine Notiz und blickte in die Runde. »Frank, Sie nehmen sich morgen noch einmal die Nachbarn von Goldberg und Schneider vor. Zeigen Sie ihnen das Firmenlogo von Nowak, Sie können es sich von seiner Webseite im Internet herunterladen. Außerdem fahren Sie nach Fischbach in das Vereinsheim des SV und fragen nach, ob ihn dort jemand am Abend zum 1. Mai gesehen hat.«
Behnke nickte.
»Dann ist alles klar für morgen. Wir treffen uns am Nachmittag zur gleichen Zeit wie heute. Ach, Frau Kirchhoff. Wir beide fahren jetzt noch mal zu Nowak.«
Pia nickte. Unter dem Scharren der Stuhlbeine auf dem Linoleumboden löste sich die Gruppe auf.
»Und was hast du für mich vorgesehen?«, hörte Pia beimHinausgehen Kriminalrätin Dr. Engel fragen. Die vertrauliche Anrede verblüffte sie, deshalb blieb sie im Flur hinter der offenen Tür stehen und spitzte neugierig die Ohren.
»Was sollte dein Auftritt hier eigentlich?« Bodensteins gedämpfte Stimme klang verärgert. »Was bezweckst du mit dieser Masche? Ich hatte dir doch gesagt, dass ich während dieser Ermittlungen keine Unruhe im Team haben will.«
»Ich interessiere mich eben für den Fall.«
»Dass ich nicht lache! Du suchst nur eine Gelegenheit, um mich bei einem Fehler zu erwischen. Ich kenne dich doch!«
Pia hielt den Atem an. Was war das denn? »Du hältst dich für wichtiger, als du bist«, zischte Dr. Engel herablassend. »Warum sagst du mir nicht, dass ich mich zum Teufel scheren und mich aus den Ermittlungen heraushalten soll?«
Gespannt wartete Pia auf die Entgegnung Bodensteins. Unglücklicherweise kamen in diesem Augenblick ein paar Kollegen laut redend den Flur entlang, und die Tür des Besprechungsraumes wurde von innen geschlossen.
»Mist«, murmelte Pia, die zu gerne mehr gehört hätte, und nahm sich vor, Bodenstein bei einer geeigneten Gelegenheit ganz beiläufig zu fragen, woher er Kriminalrätin Dr. Engel kannte.
Dienstag, 8. Mai 2007
Vom Wachpersonal war nichts mehr zu sehen, als Bodenstein und Pia am frühen Vormittag auf dem Mühlenhof eintrafen. Das große Tor stand weit offen.
»Scheinbar hat sie keine Angst mehr«, sagte Pia. »Jetzt, wo Watkowiak tot und Nowak im Krankenhaus ist.«
Bodenstein nickte nur abwesend. Die Fahrt über hatte er keinen einzigen Ton gesagt. Eine drahtige Frau mit praktischem Kurzhaarschnitt öffnete die Tür und teilte ihnen mit, dass von der Familie
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