Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tiefe Wunden

Titel: Tiefe Wunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
Vom Netzwerk:
erstaunlicher Kraft festhielt. Es wurde Zeit, dass sie diesen verwickelten Fall lösten, denn er sah seine jüngste Tochter definitiv zu wenig.
    »Wer denn?«, fragte er zurück und kitzelte Sophias Bauch. Sie juchzte und strampelte mit den Beinchen.
    Cosima erschien in der Tür, nur ein Handtuch um den Körper geschlungen, in der Hand die Zahnbürste.
    »Jutta Kaltensee.«
    Bodenstein erstarrte. Er hatte Cosima nicht erzählt, dass Jutta Kaltensee ihn in den letzten Tagen mindestens zehnmal angerufen hatte. Zuerst hatte er sich geschmeichelt gefühlt, aber die Gespräche waren für seinen Geschmack zu schnell zu vertraulich geworden. Doch erst, als sie ihn gestern schließlich ganz unverblümt gefragt hatte, ob sie nicht einmal zusammen essen gehen könnten, hatte er begriffen, was sie tatsächlich mit ihren Anrufen bezweckte. Jutta Kaltensee machte ihm eindeutig Avancen, und er wusste nicht, wie er sich ihr gegenüber verhalten sollte.
    »Ach ja? Was wollte sie denn?« Bodenstein zwang sich zueinem beiläufigen Tonfall und fuhr fort, mit dem Baby zu spielen.
    »Sie sucht Mitarbeiter für ihre neue Imagekampagne.« Cosima ging ins Bad und kehrte im Morgenmantel zurück. »Sie sagte, sie sei auf mich gekommen, als sie dich bei ihrer Mutter getroffen hat.«
    »Tatsächlich?« Bodenstein fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken, dass Jutta hinter seinem Rücken Informationen über ihn und seine Familie eingeholt hatte. Außerdem war Cosima keine Werbefilmerin, sondern produzierte Dokumentarfilme. Das Argument mit der Imagekampagne war eine Lüge. Aber weshalb tat sie das?
    »Wir treffen uns heute Mittag zum Essen, und ich höre mir mal an, was sie will.« Cosima setzte sich auf die Bettkante und cremte ihre Beine ein.
    »Das klingt doch gut.« Bodenstein wandte den Kopf und sah seine Frau mit einem Ausdruck völliger Arglosigkeit an. »Lass es dir nur ordentlich bezahlen. Die Kaltensees haben Geld wie Heu.«
    »Hast du nichts dagegen?«
    Bodenstein wusste nicht genau, was Cosima mit dieser Frage meinte.
    »Wieso sollte ich?«, fragte er und nahm sich in derselben Sekunde vor, Jutta Kaltensees Anrufe in Zukunft zu ignorieren. Gleichzeitig dämmerte ihm, wie weit er sich schon auf sie eingelassen hatte. Zu weit. Der bloße Gedanke an die scharfsinnige und aufregend attraktive Frau entfachte Phantasien in ihm, die sich für einen verheirateten Mann nicht gehörten.
    »Ihre Familie steht doch im Fokus eurer Ermittlungen«, sagte Cosima.
    »Hör dir doch einfach mal an, was sie dir anbietet«, schlug er gegen seinen Willen vor. Ihn beschlich ein unangenehmes Gefühl. Der bisher harmlose Flirt mit Jutta Kaltensee konnteleicht zu einem unkalkulierbaren Risiko werden, und so et was brauchte er überhaupt nicht. Es war Zeit, sie freundlich, aber bestimmt in die Schranken zu weisen. So leid es ihm tat.
     
    Obwohl die Nacht sehr kurz gewesen war, saß Pia am nächsten Morgen schon um Viertel vor sieben an ihrem Schreibtisch. Es war unumgänglich geworden, so bald wie möglich mit Siegbert Kaltensee zu sprechen, so viel war klar. Sie nippte an ihrem Kaffee, starrte auf den Bildschirm und dachte über Ostermanns Bericht und Schlussfolgerungen gestern nach. Sicher, es war denkbar, dass die Geschwister Kaltensee die Morde in Auftrag gegeben hatten. Aber zu viel passte nicht zusammen: Was sollte diese Zahl, die der Mörder an allen drei Tatorten hinterlassen hatte? Weshalb waren die Morde mit einer uralten Waffe und sechzig Jahre alter Munition verübt worden? Ein Auftragsmörder hätte wohl eher eine Waffe mit einem Schalldämpfer benutzt und sich nicht die Mühe gemacht, Anita Frings aus dem Seniorenstift in den Wald zu bugsieren. Hinter den Morden an Goldberg, Schneider und Anita Frings steckte etwas Persönliches, da war sich Pia sicher. Aber wie passte Robert Watkowiak ins Bild? Weshalb hatte seine Freundin sterben müssen? Die Antwort verbarg sich hinter einem Gewirr falscher Fährten und möglicher Tatmotive. Rachsucht war ein starkes Motiv. Thomas Ritter kannte die Familiengeschichte der Kaltensees, er war von Vera zutiefst gedemütigt und verletzt worden.
    Und was war mit Elard Kaltensee? Hatte er die drei Freunde seiner Mutter erschossen – oder erschießen lassen –, weil die ihm nichts über seine wahre Herkunft verraten wollten? Er hatte ja zugegeben, dass er sie gehasst und ihnen gegenüber Mordgelüste verspürt hatte. Schließlich gab es noch Marcus Nowak, der eine ganz dubiose Rolle spielte. Sein Firmenwagenwar

Weitere Kostenlose Bücher