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Tiefe Wunden

Titel: Tiefe Wunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Aktiengesellschaft werden, und das innerhalb der nächsten zwei Jahre. Niemand von uns wird für seine Anteile Millionen kassieren. Natürlich habe ich alle Anteilseigner persönlich und ausführlich über diese Pläne informiert, selbstverständlich auch die Herren Goldberg und Schneider und Frau Frings.«
    Siegbert Kaltensee lächelte wieder.
    »Darum ging es übrigens auch bei dem Gespräch letzte Woche im Hause meiner Mutter, als Sie wegen Robert zu uns gekommen sind.«
    Das klang alles schlüssig. Das Mordmotiv von Siegbert und Jutta Kaltensee, das weder Bodenstein noch Pia für wirklich relevant gehalten hatten, löste sich damit in Luft auf.
    »Kennen Sie Katharina Ehrmann?«, fragte sie.
    »Natürlich.« Siegbert Kaltensee nickte. »Katharina und meine Schwester Jutta sind eng befreundet.«
    »Weshalb hat Frau Ehrmann von Ihrem Vater damals Firmenanteile erhalten?«
    »Das entzieht sich meiner Kenntnis. Katharina ist quasi auf dem Mühlenhof aufgewachsen. Ich nehme an, mein Vater wollte damit meine Mutter ärgern.«
    »Wussten Sie, dass Katharina Ehrmann ein Verhältnis mit Dr. Ritter, dem ehemaligen Assistenten Ihrer Mutter, hat?«
    Eine steile Unmutsfalte erschien zwischen Kaltensees Augenbrauen.
    »Nein, das ist mir nicht bekannt«, räumte er ein. »Es ist mir auch ziemlich egal, was dieser Mann tut. Er hat einen schlechten Charakter. Leider hat meine Mutter viel zu lange nicht erkannt, dass er immer versucht hat, sie gegen die Familie aufzubringen.«
    »Er schreibt an einer Biographie über Ihre Mutter.«
    »Er hat daran geschrieben«, korrigierte Kaltensee kühl. »Unsere Anwälte haben ihm das untersagt. Außerdem hat er sich bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses vertraglich verpflichtet, über alle Familieninterna Stillschweigen zu bewahren.«
    »Was passiert, wenn er dagegen verstößt?«, fragte Pia neu gierig.
    »Die Konsequenzen werden für ihn ausgesprochen unangenehm sein.«
    »Was haben Sie eigentlich gegen eine Biographie Ihrer Mutter einzuwenden?«, erkundigte sich Bodenstein. »Sie ist eine bemerkenswerte Frau mit einer großartigen Lebensleistung.«
    »Wir haben überhaupt nichts dagegen einzuwenden«, antwortete Kaltensee. »Aber meine Mutter möchte sich ihren Biographen selbst aussuchen. Ritter hat sich allerhand abstruses Zeug aus den Fingern gesogen, einzig, um sich für vermeintlich erlittenes Unrecht an meiner Mutter zu rächen.«
    »Zum Beispiel, dass Goldberg und Schneider früher Nazis waren und mit einer falschen Identität gelebt haben?«, fragte Pia.
    Wieder lächelte Siegbert Kaltensee unverbindlich. »In den Lebensläufen zahlreicher erfolgreicher Unternehmer aus derNachkriegszeit werden Sie Verbindungen zum Naziregime finden«, entgegnete er. »Auch mein Vater hatte zweifellos vom Krieg profitiert, schließlich war seine Firma ein Rüstungsbetrieb. Darum geht es nicht.«
    »Worum dann?«, fragte Bodenstein.
    »Ritter stellt wilde Spekulationen an, die den Straftatbestand der Verleumdung und der üblen Nachrede erfüllen.«
    »Wie können Sie das wissen?«, erkundigte sich Pia Siegbert Kaltensee zuckte die Achseln und schwieg.
    »Uns ist zu Ohren gekommen, dass man damals Ihren Bruder Elard verdächtigte, Ihren Vater die Treppe hinuntergestoßen zu haben. Schreibt Ritter auch darüber etwas in seinem Buch?«
    »Ritter schreibt kein Buch«, entgegnete Siegbert Kaltensee. »Davon abgesehen glaube ich bis heute, dass Elard es war. Er konnte meinen Vater nie leiden. Dass er Firmenanteile bekommen hat, ist der blanke Hohn.«
    Seine glatte Fassade der Selbstsicherheit zeigte erste Risse. Woher rührte seine offensichtliche Abneigung gegen den älteren Halbbruder? War es Eifersucht auf dessen Aussehen und seinen Erfolg bei Frauen, oder steckte mehr dahinter?
    »Genaugenommen gehört Elard nicht mal zur Familie. Trotzdem profitiert er seit Jahrzehnten wie selbstverständlich von meiner Arbeit, die in seinen Augen nur eine verachtenswerte, sinnentleerte Jagd nach dem schnöden Mammon ist.« Er lachte gallig. »Ich würde meinen hochgeistigen, feinsinnigen Bruder gerne mal ohne Geld erleben, mittellos und auf sich selbst gestellt! Der Herr Kunstprofessor ist nämlich kein besonders lebenstüchtiger Mensch.«
    »So ähnlich wie Robert Watkowiak?«, fragte Pia. »Berührt Sie sein Tod eigentlich gar nicht?«
    Siegbert Kaltensee hob die Augenbrauen und fand zu seiner gelassenen Haltung zurück.
    »Wenn ich ehrlich bin, nein. Ich habe mich oft genug dafür geschämt, dass er

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