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Tiefe Wunden

Titel: Tiefe Wunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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hat dann in der rechten Betthälfte gelegen? Das Bettzeug ist noch warm.«
    Pia streifte Handschuhe über und öffnete eine Spiegeltür des Schranks.
    »He!«, rief Frau Krämer. »Das dürft ihr ohne Durchsuchungsbefehl gar nicht!«
    »Na, mit so was hast du wohl Erfahrung.« Behnke musterte sie anzüglich von oben bis unten. Mit ihrem knappen Jeansröckchen und den billigen Lackstiefeln mit schiefgetretenen Absätzen hätte sie an jede Straßenecke im Bahnhofsviertel gepasst.
    »Lass die Pfoten vom Schrank!«, keifte Monika Krämer Pia an und drängte sich zwischen sie und das Möbelstück. In dem Moment nahm Behnke eine Bewegung im vorderen Zimmer wahr; für den Bruchteil einer Sekunde sah er die Umrisse eines Mannes, dann knallte die Wohnungstür ins Schloss.
    »Scheiße!«, fluchte er und wollte hinterherlaufen, aber Monika Krämer stellte ihm ein Bein. Er stolperte, knallte mit dem Kopf gegen den Türrahmen und krachte in eine Batterieleerer Sektflaschen, die neben der Tür auf dem Boden standen. Eine Flasche zerbrach, ein Splitter bohrte sich in seinen Unterarm. Mit einem Satz war er wieder auf den Beinen, aber die Schlampe fiel ihn an wie eine Furie. Da entlud sich der Zorn, der sich seit dem Morgen in ihm aufgestaut hatte. Die Wucht der Ohrfeige schleuderte das klapperdürre Weibsstück gegen die Wand. Er schlug noch einmal zu, dann packte er sie und drehte ihr einen Arm auf den Rücken. Sie wehrte sich mit erstaunlicher Kraft, trat ihn gegen das Schienbein und spuckte ihm ins Gesicht. Dabei beschimpfte sie ihn auf eine so unflätige Weise, wie er es seit seiner Zeit bei der Sitte im Frankfurter Rotlichtmilieu nicht mehr gehört hatte.
    Er hätte das Miststück grün und blau geprügelt, wenn Pia nicht eingeschritten wäre und ihn von ihr weggezerrt hätte. Der ganze Tumult wurde vom hysterischen Kläffen der kleinen Köter begleitet. Schwer atmend richtete Behnke sich auf und betrachtete die heftig blutende Schnittwunde an seinem rechten Unterarm.
    »Wer war der Mann, der eben weggelaufen ist?«, fragte Pia die Frau, die mit dem Rücken an der Wand sitzen geblieben war. Blut lief ihr aus der Nase. »War das Robert Watkowiak?«
    »Ich sag euch Scheißbullen gar nix!«, fauchte sie und wehrte die Hündchen ab, die panisch auf ihren Schoß klettern wollten. »Ich zeig euch an! Ich kenn nämlich ein paar Anwälte!«
    »Hören Sie, Frau Krämer«, Pias Stimme klang erstaunlich ruhig, »wir suchen Robert Watkowiak im Zusammenhang mit einem Mordfall. Sie tun ihm und sich keinen Gefallen, wenn Sie weiterhin lügen. Immerhin haben Sie meinen Kollegen tätlich angegriffen, das macht sich sehr schlecht vor Gericht, das werden Ihnen Ihre Anwälte bestätigen.«
    Die Frau überlegte einen Moment. Sie schien den Ernstihrer Lage zu begreifen, denn schließlich gab sie zu, dass es Watkowiak war, der aus der Wohnung geflüchtet war.
    »Er war auf’m Balkon. Mit Mord hat er nix zu tun.«
    »Aha. Und warum ist er dann abgehauen?«
    »Weil er keinen Bock auf Bullen hat.«
    »Wissen, Sie, wo Herr Watkowiak am Montagabend war?«
    »Keine Ahnung. Er ist erst heut früh hier aufgetaucht.«
    »Und letzte Woche am Freitagabend? Wo war er da?«
    »Weiß nich. Bin doch nich sein Kindermädchen.«
    »Gut.« Pia nickte. »Danke für Ihre Hilfe. In Ihrem eigenen Interesse wäre es das Beste, wenn Sie uns anrufen, falls er hier wieder auftauchen sollte.«
    Sie reichte Frau Krämer ihre Visitenkarte, die diese achtlos in ihren Ausschnitt steckte.
     
    Pia fuhr Behnke ins Krankenhaus und wartete, während man in der Notfallambulanz den tiefen Schnitt an seinem Arm und die Platzwunde am Kopf mit ein paar Stichen nähte. Sie lehnte am Kotflügel des Dienstwagens und rauchte eine Zigarette, als ihr Kollege mit finsterer Miene durch die Drehtür kam, auf der Stirn ein Pflaster, um den rechten Arm ein leuchtend weißer Verband.
    »Und?«, erkundigte sie sich.
    »Bin krankgeschrieben«, antwortete er, ohne sie anzusehen. Er setzte sich auf den Beifahrersitz und schob die Sonnenbrille auf die Nase. Pia verdrehte die Augen und trat die Zigarette aus. Seit ein paar Wochen war Behnke wieder völlig ungenießbar. Während der kurzen Fahrt ins Kommissariat sagte er keinen Ton, und Pia überlegte, ob sie Bodenstein von seinem Ausraster berichten sollte. Sie hatte keine Lust, als Petze dazustehen, aber auch wenn ihr Behnkes hitzige Veranlagung durchaus bekannt war, hatte sie sein Kontrollverlust in der Wohnung von Monika Krämer doch überrascht.Ein

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