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Tiefe Wunden

Titel: Tiefe Wunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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ermordet hat?«
    »Nein«, gab Pia zu. »Es ist ja auch nicht mehr unsere Sache. Und wenn ich ehrlich bin, glaube ich auch nicht, dass das Auftauchen von Goldbergs Sohn mit dem amerikanischen Generalkonsul, Leuten vom BKA, von der CIA und vom Innenministerium im Schlepptau nur etwas mit den jüdischen Bestattungsriten zu tun hatte.«
    »CIA? BKA? Das ist nicht dein Ernst!« Miriam staunte.
    »Doch. Sie haben uns die Ermittlungen entzogen. Und wir vermuten auch, dass wir den wahren Grund dafür kennen. Goldberg hatte ein ziemlich düsteres Geheimnis, und es kann kaum im Sinne seines Sohnes oder seiner Freunde sein, dass das bekannt wird.«
    »Jetzt erzähl schon«, drängte Miriam. »Was für ein Geheimnis? Ich habe gehört, dass er früher ziemlich fragwürdige Geschäfte gemacht haben soll, aber das gilt ja für viele Leute. Hat er etwa Kennedy erschossen?«
    »Nein.« Pia schüttelte den Kopf. »Er war Mitglied der SS.«
    Miriam starrte sie an, dann stieß sie ein ungläubiges Lachen aus.
    »Darüber macht man keine Witze!«, sagte sie. »Jetzt sag schon die Wahrheit.«
    »Das ist die Wahrheit. Bei der Obduktion wurde eine Blutgruppentätowierung an seinem linken Oberarm festgestellt, wie sie nur Angehörige der SS hatten. Es gibt überhaupt keinen Zweifel.«
    Das Lachen verschwand aus Miriams Gesicht.
    »Die Tätowierung ist eine Tatsache«, sagte Pia nüchtern. »Er muss irgendwann versucht haben, sie zu entfernen. Aber im Unterhautgewebe war sie deutlich zu erkennen, Blutgruppe AB. Das war seine Blutgruppe.«
    »Ja, aber das kann nicht sein, ehrlich, Pia!« Miriam schüttelte den Kopf. » Oma kannte ihn seit sechzig Jahren, jeder hier kannte ihn! Er hat jede Menge Geld für jüdische Einrichtungen gestiftet und viel für die Versöhnung zwischen Deutschen und Juden getan, es kann unmöglich sein, dass er früher ein Nazi gewesen sein soll.«
    »Und wenn es doch so war?«, gab Pia zu bedenken. »Was, wenn er in Wirklichkeit gar nicht der war, der er zu sein vorgegeben hat?«
    Miriam starrte sie schweigend an und kaute an ihrer Unterlippe.
    »Du kannst mir helfen«, fuhr Pia fort. »In dem Institut, in dem du arbeitest, hast du doch sicher Zugang zu Akten und Unterlagen über die jüdische Bevölkerung in Ostpreußen. Du könntest mehr über seine Vergangenheit herausfinden.«
    Sie sah die Freundin an und konnte förmlich sehen, wie es in ihrem Gehirn arbeitete. Die Möglichkeit, dass ein Mann wie David Goldberg ein solch unglaubliches Geheimnis gehabt und über Jahrzehnte bewahrt haben sollte, war so ungeheuerlich,dass sie sich an diesen Gedanken erst gewöhnen musste.
    »Heute Morgen wurde die Leiche eines Mannes namens Herrmann Schneider gefunden«, sagte Pia leise. »Er wurde in seinem Haus ermordet, genau wie Goldberg mit einem Genickschuss. Er war weit über achtzig, lebte allein. Sein Arbeitszimmer im Keller sieht aus wie Hitlers Büro in der Reichskanzlei, mit Hakenkreuzfahne und persönlich signiertem Führerbild, echt schaurig, das sage ich dir. Und wir haben herausgefunden, dass dieser Schneider genauso mit Vera Kaltensee befreundet war wie Goldberg.«
    »Mit Vera Kaltensee? « Miriam riss die Augen auf. »Die kenne ich gut! Sie unterstützt seit Jahren das Zentrum gegen Vertreibungen. Jeder weiß, wie sehr sie Hitler und das Dritte Reich gehasst hat. Sie wird es sich nicht gefallen lassen, wenn man versucht, ihre Freunde als ehemalige Nazis hinzustellen.«
    »Das wollen wir doch auch nicht«, beschwichtigte Pia. »Niemand behauptet, dass sie etwas über Goldbergs oder Schneiders Vergangenheit wusste. Aber die drei kannten sich sehr lange und sehr gut.«
    »Wahnsinn«, murmelte Miriam. »Totaler Wahnsinn!«
    »Neben beiden Leichen haben wir eine Zahl gefunden, die der Täter in das Blut seiner Opfer gezeichnet hat. 16145«, fuhr Pia fort. »Wir wissen nicht, was das bedeutet, aber damit steht fest, dass Goldberg und Schneider von ein und derselben Person erschossen wurden. Ich habe irgendwie das Gefühl, dass das Motiv für die Morde in der Vergangenheit der beiden Männer zu suchen ist. Deshalb wollte ich dich bitten, mir zu helfen.«
    Miriam wandte ihren Blick nicht von Pias Gesicht. Ihre Augen glänzten aufgeregt, und ihre Wangen röteten sich.
    »Es könnte ein Datum sein«, sagte sie nach einer Weile. »Der 16. Januar 1945.«
    Pia spürte, wie das Adrenalin durch ihren Körper schoss, und richtete sich ruckartig auf. Natürlich! Dass sie selbst nicht darauf gekommen war! Mitgliedsnummer, Konto-

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