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Tiefe Wunden

Titel: Tiefe Wunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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scharf und musterte seine Kollegin. Sie war noch jung und sehr tüchtig, doch mangelte es ihr an Selbstvertrauen, und sie neigte bisweilen dazu, vor lauter Eifer Fehler zu machen.
    »Ich?« Kathrin Fachinger lief blutrot an. »Was soll ich ihm denn erzählt haben?«
    »Ja, das würde ich auch gerne wissen!«
    »Er ... er kam gestern Abend in ... in den Besprechungsraum«, stotterte Kathrin Fachinger nervös. »Er hat Sie gesucht und wollte wissen, wie die Ermittlungen laufen. Ich sagte ihm, dass Sie und Pia bei der Leiche der Freundin von dem Mann seien, der an beiden Tatorten Spuren hinterlassen hat.«
    Bodenstein blickte seine Mitarbeiterin an. Sein Zorn verrauchte so schnell, wie er gekommen war.
    »Mehr habe ich nicht gesagt«, beteuerte Kathrin Fachinger. »Wirklich nicht, Chef. Das schwöre ich Ihnen.«
    Bodenstein glaubte ihr. Nierhoff hatte es so eilig, diesen Fall aufgeklärt zu sehen, dass er sich die Ermittlungsergebnisse zusammenpuzzelte, wie es ihm gefiel. Das war ungeheuerlich – und seltsam.
    »Ich glaube Ihnen«, sagte Bodenstein, »entschuldigen Siebitte meinen Ton, aber ich war etwas verärgert. Ist Behnke schon da?«
    »Nein.« Kathrin Fachinger schien sich unbehaglich zu fühlen. »Er ... er ist doch krankgeschrieben.«
    »Ach ja. Und Frau Kirchhoff?«
    »Sie hat ihren Freund heute Morgen an den Flughafen gebracht und ist danach gleich in die Rechtsmedizin gefahren. Die Obduktion von Monika Krämer fängt um acht an.«
     
    »Wie siehst du denn aus?«, begrüßte Dr. Henning Kirchhoff seine geschiedene Frau um kurz nach acht im Sektionsraum 2 des Rechtsmedizinischen Instituts. Pia warf einen schnellen Blick in den Spiegel über dem Handwaschbecken. Eigentlich fand sie, dass sie ziemlich gut aussah – dafür, dass sie die halbe Nacht nicht geschlafen und bis vor zehn Minuten im Auto geheult hatte. Im Chaos am Flughafen war der Abschied von Christoph viel zu knapp ausgefallen. Vor der Halle B hatten zwei Kollegen aus Berlin und Wuppertal, die auch zum Kongress nach Südafrika fliegen würden, auf ihn gewartet, und Pia hatte mit einem Anflug von Eifersucht festgestellt, dass der Kollege aus Berlin eine Kollegin war, noch dazu eine ziemlich attraktive. Eine letzte Umarmung, ein flüchtiger Abschiedskuss, dann war er mit den beiden in der Halle verschwunden. Pia hatte ihm hinterhergestarrt, nicht gefasst auf das überwältigende Gefühl der Leere. »Erinnerst du dich an meine Freundin Miriam? «, fragte sie Henning.
    »Fräulein Horowitz und ich sind uns glücklicherweise vor vielen Jahren nur ein einziges Mal begegnet.« Das klang etwas säuerlich, und Pia fiel ein, dass Miriam Henning damals einen »humorlosen Dr. Frankenstein« genannt hatte, woraufhin er sie abfällig als »dümmliches Partyhuhn« bezeichnet hatte. Pia erwog kurz, Henning von Miriams beruflichem Werdegang zu erzählen, ließ es dann aber sein.
    »Egal«, sagte sie. »Ich habe sie zufällig neulich wiedergetroffen. Sie arbeitet am Fritz-Bauer-Institut.«
    »Wahrscheinlich hat Papi ihr die Stelle besorgt.« Henning erwies sich wieder einmal als nachtragend, aber Pia achtete nicht darauf.
    »Ich habe sie gebeten, Nachforschungen über Goldberg anzustellen. Sie wollte natürlich erst nicht glauben, dass er ein Nazi gewesen sein soll, aber dann ist sie im Archiv des Instituts auf Unterlagen über Goldberg und seine Familie gestoßen. Die Nazis hatten ja alles akribisch dokumentiert.«
    Ronnie trat neben Pia an den Tisch, auf dem schon die gewaschene und entkleidete Leiche von Monika Krämer lag, die hier, in dieser klinischen Umgebung, allen Schrecken verloren hatte. Pia berichtete, dass Goldberg, seine Familie und alle jüdischen Einwohner von Angerburg im März 1942 ins KZ Plaszow deportiert worden waren. Während Goldbergs Familie dort umgekommen war, hatte er überlebt, bis das KZ im Januar 1945 geräumt wurde. Man hatte alle Häftlinge nach Auschwitz gebracht, wo Goldberg im Januar 1945 in der Gaskammer ermordet wurde. Es war ganz still im Sektionsraum. Pia sah die beiden Männer erwartungsvoll an.
    »Ja, und?«, fragte Henning herablassend. »Wo bleibt die Sensation?«
    »Verstehst du nicht?« Pia ärgerte sich über seine Reaktion. »Das ist der Beweis dafür, dass der, den du hier auf dem Tisch hattest, ganz sicher nicht David Josua Goldberg war.«
    »Ist ja toll!« Henning zuckte unbeeindruckt die Schultern. »Wo bleibt übrigens dieser Staatsanwalt? Ich hasse Unpünktlichkeit wie die Pest!«
    »Hier ist er schon«, ertönte

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