Tiefe Wunden
eine UV-Lampe und leuchtete damit in den Mund und in die freigelegte Speiseröhre der Toten.
»Oha! «, machte er und richtete sich auf. »Möchten Sie mal schauen, Frau Staatsanwältin?«
Valerie Löblich nickte eifrig und trat näher.
»Sie müssen näher herangehen«, sagte Kirchhoff. Pia ahnte, was es dort zu sehen gab, und schüttelte den Kopf. Heute trieb es Henning wirklich zu weit! Auch Ronnie wusste Bescheid und unterdrückte mit Mühe ein Grinsen.
»Ich sehe nichts«, sagte die Staatsanwältin.
»Fallen Ihnen nicht die bläulich schimmernden Stellen auf?«
»Doch.« Sie hob den Kopf und runzelte die Stirn. »Wurde sie vergiftet?«
»Tja. Ob das Sperma vergiftet war, kann ich im Moment nicht beurteilen.« Kirchhoff grinste spöttisch. »Aber das werden wir im Labor feststellen.«
Der Staatsanwältin schoss das Blut ins Gesicht, als siebegriff, dass sie Opfer eines Scherzes an unpassender Stelle geworden war. »Weißt du was, Henning, du bist ein Arschloch!«, zischte sie erbost. »Der Tag, an dem du selbst auf diesem Tisch liegst, kommt schneller, als du denkst, wenn du so weitermachst!«
Sie drehte sich auf dem Absatz um und marschierte hinaus. Kirchhoff blickte ihr nach, dann zuckte er die Schultern und sah Pia an.
»Du hast es gehört«, sagte er mit unschuldiger Miene. »Eine glatte Morddrohung. Na ja. Haben einfach keinen Humor, diese Staatsanwältinnen.«
»Das war auch wirklich nicht gut«, erwiderte Pia. »Wurde sie vergewaltigt?«
»Wer? Die Löblich?«
»Kein bisschen komisch, Henning«, sagte Pia scharf. »Also?«
»Mein Gott«, rief er ungewöhnlich heftig, nachdem er sich vergewissert hatte, dass sein Assistent nicht im Raum war. »Die regt mich auf! Sie lässt mich einfach nicht in Ruhe, dauernd ruft sie an und quakt blödes Zeug!«
»Vielleicht hast du ihr Anlass zu falschen Hoffnungen gegeben.«
» Du hast ihr Anlass zu falschen Hoffnungen gegeben«, warf er ihr vor. »Indem du mich zu einer Scheidung gedrängt hast!«
»Ich glaube, du spinnst.« Pia schüttelte entgeistert den Kopf. »Aber nach deiner Einlage heute bist du sie wohl los.«
»So viel Glück habe ich nicht. Die taucht spätestens in einer Stunde wieder hier auf.«
Pia musterte ihren Exmann scharf.
»Ich könnte wetten, du hast mich angelogen«, sagte sie. »Wie meinst du das denn?«, fragte er betont arglos.
»Das Intermezzo im letzten Sommer auf dem Wohnzimmertischwar nicht das einzige Mal, wie du mir weismachen wolltest. Hab ich recht?«
Kirchhoff machte eine ertappte Miene. Aber bevor er etwas sagen konnte, kehrte Ronnie Böhme zurück in den Sektionssaal, und sein Verhalten wurde sofort wieder professionell.
»Sie wurde nicht vergewaltigt. Aber sie hatte vor ihrem Tod Oralverkehr«, erklärte er. »Danach wurden ihr die anderen Verletzungen zugefügt, die zweifellos todesursächlich waren. Sie ist verblutet.«
»Monika Krämer ist an den schweren Verletzungen verblutet, die ihr mit einem Messer mit einer Hawkbill-Klinge zugefügt wurden«, berichtete Pia ihren Kollegen eine Stunde später im Besprechungsraum. »In Mundhöhle und Speiseröhre wurden Spuren von Sperma festgestellt. Da wir ja die DNA von Watkowiak im Computer haben, werden wir spätestens in ein paar Tagen wissen, ob es von ihm stammt. Ob sich unter den sichergestellten Spuren, Fasern und Haaren auch die DNA einer dritten Person befindet, müssen wir abwarten. Die Kollegen von der Kriminaltechnik arbeiten unter Hochdruck daran.«
Bodenstein warf Kriminaldirektor Nierhoff einen raschen Blick zu und hoffte, dass sein Chef erkannte, wie überaus dünn die Beweislage war. Unten warteten die Journalisten, die Nierhoff in großer Zahl eingeladen hatte, um sich mit der rasanten Aufklärung der Morde an Goldberg und Schneider zu brüsten.
»Der Mann hat sich einer Mitwisserin entledigt, nachdem er ihr vorher von den begangenen Morden erzählt hat.« Nierhoff erhob sich. » Ein deutlicher Beweis für seine Gewaltbereitschaft. Gute Arbeit, Kollegen. Bodenstein, Sie denken dran: um zwölf in meinem Büro.«
Schon hatte er den Raum verlassen und eilte mit großenSchritten zur Pressekonferenz, ohne darauf zu bestehen, dass Bodenstein ihn begleitete. Einen Moment war es ganz still.
»Was erzählt er denn jetzt wohl da unten?«, fragte Ostermann.
»Keine Ahnung.« Bodenstein hatte resigniert. »Auf jeden Fall wird eine Falschmeldung zu diesem Zeitpunkt keinen Schaden anrichten.«
»Sie halten Watkowiak also nicht für den Mörder von
Weitere Kostenlose Bücher