Tiefer gelegt
Vegetation nicht nur schön, sondern
auch klaustrophobisch. Der Boden war dicht und dunkel bewachsen. Die Etage darüber war mit blühenden Schlingpflanzen überzogen und wurde hier und da von ruhenden Wasservögeln aufgelockert. Die Luft war mit Feuchtigkeit gesättigt,
durchtränkte Haar und Hemd, kondensierte wie Tau auf meinen Armen und rann mir an beiden Schläfen übers Gesicht. Es
war potenzierte South-Beach-Luft, und der klebrige Duft von
Blüten, schwerer Erde und verrottenden Pflanzen mischte sich
mit der salzigen Brise des Meeres.
Wir legten an der kleinen Tauchplattform am Heck der Happy Hooker an und kletterten an Bord. Alles war aus strahlend weißem Fiberglas, weil das nach dem Angeln besonders
leicht zu reinigen ist, so nahm ich wenigstens an. Auf dem
Steuerdeck thronte ein fest montierter Angelsessel. Das Cockpit war durch eine Tür und durch große Fenster vom Salon
getrennt, aber das Glas war so dunkel getönt, dass man drinnen
nichts erkennen konnte.
Bill öffnete die Tür, und wir hielten Einzug. Mitten im Salon stand, eine Waffe in der Hand, Maria. Sie war vielleicht
einen Meter fünfundsechzig groß und hatte Unmengen von
welligem, dunkelbraunem Haar, das sich um ihr gebräuntes
Gesicht schmiegte und ihr bis knapp auf die Schultern reichte.
Ihr Gesicht war fein geschnitten, ihre Lippen formten einen
natürlichen Schmollmund, und ihre Augen hatten die Farbe
von geschmolzener Schokolade. Sie war schlank, und ihre
großen Brüste schaukelten bei jeder Bewegung unter ihrem
weißen Baumwoll-T-Shirt.
»Jetzt wird mir einiges klar«, sagte Hooker zu mir.
Ich sah ihn mit hochgezogener Braue an.
»Ich glaube, es ist keine gute Idee, diesen Typen zu erschießen«, sagte Bill zu Maria. »Ihm gehört das Boot.«
»Das ist ein Grund mehr«, erwiderte Maria.
»Auch wieder wahr«, sagte Bill. »Aber Barney darfst du
nicht erschießen. Sie ist meine Schwester.«
Maria legte auf Spanisch los und schimpfte wild fuchtelnd
auf Bill ein.
Ich sah Hooker an.
»Sie ist nicht glücklich«, sagte Hooker.
Um das zu erkennen, hätte ich keinen Übersetzer gebraucht.
»Und sie bezeichnet ihn mit Ausdrücken, die ich bisher nur
in einem texanischen Schlachthaus gehört habe. Sie redet so
schnell, dass ich nicht alles mitbekomme, aber es geht irgendwie um die Größe seiner Geschlechtsorgane und um die seines
Gehirnes, und offenbar ist es um beide nicht gut bestellt.« Er
sah mir in die Augen. »Nur damit du es weißt, ich hatte bei
meinen Geschlechtsorganen nie irgendwelche Größenprobleme. Die Größe meines Gehirns wurde allerdings hin und wieder in Zweifel gezogen.«
»Ich bin ja so froh, dass du mir das erzählt hast«, sagte ich.
»Ich dachte, das würde dich vielleicht interessieren.«
Inzwischen brüllte Bill zurück. Er brüllte auf Englisch, aber
trotzdem war kaum zu verstehen, was er sagte, weil sich die
beiden Nase an Nase gegenüberstanden und gleichzeitig aufeinander einschrien.
» Hey! « , rief Hooker. » Schluss jetzt! «
Maria und Bill drehten sich um und sahen Hooker an.
»Wir sind wirklich nicht euer größtes Problem«, eröffnete
ihnen Hooker. »Ihr solltet euch viel mehr Sorgen wegen der
Typen machen, die gleich zweimal eure Wohnungen durchwühlt haben. Und wegen des Kerls, der gedroht hat, uns umzubringen. Und wahrscheinlich solltet ihr euch Sorgen wegen
des rechtmäßigen Besitzers dieses Goldes machen. Von der
kubanischen Regierung ganz zu schweigen.«
»Das Gold gehört mir«, sagte Maria. »Es war auf dem Boot
meines Großvaters.«
»Ich würde meinen, dass diese Einschätzung nicht von allen
geteilt wird«, sagte Hooker.
Bill sah Maria an. »Mal ehrlich«, sagte er zu ihr. »Wir
könnten Hilfe gebrauchen.«
Maria sah Hooker und mich an, dann sah sie wieder Bill an.
»Du vertraust ihnen?«
»Hooker schon. Barney nur bedingt.«
»Pass lieber auf, was du sagst«, sagte ich zu Bill. »Wenn
ich Mom erzähle, dass du ein Boot gestohlen hast, steckst du
bis zum Hals in der Scheiße.«
Bill schloss mich noch mal in seine festen Arme.
Maria legte die Waffe auf die Kombüsentheke aus grauem
Granit. »Wahrscheinlich ist es okay. Also los, erzähl ihnen die
Geschichte.«
»Ich habe Maria vor ein paar Wochen in einem Club kennen gelernt. Wir haben uns unterhalten, aber mehr war nicht
dabei. Dann habe ich sie am Montagabend wiedergesehen.
Auch da haben wir nur ein paar Worte gewechselt. Bald darauf
war sie wieder weg.«
»Ich war am Abend davor einem Mann begegnet«,
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