Tiefer gelegt
sein. Oder sie sind unterwegs und
erforschen die Insel. Aber auf jeden Fall müssten sie den
Schiffsmotor gehört haben, selbst im Leerlauf. Wir sind hinter
unserer getönten Windschutzscheibe nicht zu erkennen, deshalb werden sie uns wahrscheinlich aus einem Versteck heraus
beobachten und sich in die Hosen machen vor Angst, weil sie
nicht wissen, wer zum Teufel sie besucht.«
»Irgendwie freut mich das«, sagte ich.
Hooker lächelte mich an. »Zuckerschnute, du hast was
Boshaftes. Ich glaube, das macht mich an.«
»Dich macht doch alles an.«
»Nicht alles.«
»Und was nicht?«
»Dennis Rodman im Hochzeitskleid.«
Hooker trat auf die Seite und beugte sich hinten aus dem
Seitenfenster. »Hey Bill, du blöder Affe!«, brüllte er. »Schieb
deinen Arsch an Deck, damit ich dich sehen kann.«
Bills Kopf tauchte über der Reling auf. »Hooker?«
Hooker drehte sich zu mir um und küsste mich. Als er sich
wieder von mir löste, lächelte er.
»Ich weiß auch nicht«, erklärte er. »Ich war plötzlich so
glücklich, dass ich dich einfach küssen musste.«
Mir erschien es ein bisschen viel Zunge für einen überschwänglichen Glückskuss, aber was soll’s, immerhin war er
NASCARMAN. Was verstand ich schon von so einem? Wahrscheinlich gab er selbst seiner Mutter solche Küsse. Nicht dass
ich mich beschwert hätte. Hooker war ein genialer Küsser.
Bill stand an Deck und sah wegen der blendenden Sonnenflecken mit zusammengekniffenen Augen unter der abschirmenden Hand zu uns herüber. »Hooker?«, fragte er noch mal.
Hooker schob noch mal den Kopf aus dem Seitenfenster.
»Genau. Ich muss mit dir reden.«
»Hey, das mit dem Boot kann ich dir erklären.«
»Schwing einfach deinen Trauerarsch rüber. Ich muss mit
dir reden.«
»Wie soll er denn auf unser Boot kommen?«, fragte ich.
»Ich habe ein kleines Schlauchboot mit verstärkten Seitenwänden und Außenbordmotor auf meiner Yacht. Als Beiboot.
Wahrscheinlich hat er es schon zu Wasser gelassen und hinten
an der Happy Hooker vertäut.«
Bill verschwand, und ein paar Sekunden später hörte ich einen Motor brummen, woraufhin Bill in dem Beiboot wieder
auftauchte. Er manövrierte das Schlauchboot an die Tauchplattform am Heck der Sunseeker und machte es dort fest.
Bill hat rote, kurz geschnittene Haare und trägt bevorzugt
eine Art Edelschmuddellook. Er hat eine Stupsnase und blaue
Augen, die rund um die Uhr strahlen. Er ist leicht gebräunt
und sommersprossig. Und er besteht aus einer robusten, 180
cm großen Kombination von schottisch-irischen Muskeln und
unglaublichem Leichtsinn. Zu seinen Tevasandalen trug er
ausgebeulte Shorts mit Blumenmuster, die knapp über seinen
Knien endeten. Er kletterte auf die Tauchplattform und errötete unter seinen Sommersprossen, als er mich sah. »Was machst
du denn hier?«, fragte er.
In dem Augenblick verlor ich die Fassung. »Du dummes
Arschloch!«, brüllte ich ihn an. »Du selbstsüchtige, gedankenlose, elende Missgeburt von einem Bruder. Du verantwortungsloser Haufen Affenscheiße! Wie kannst du es wagen,
mich mitten in der Nacht mit so einem Anruf aus dem Schlaf
zu reißen und dann vom Angesicht der Erde zu verschwinden?
Ich hätte mir vor Angst fast in die Hose gemacht. Deinetwegen
bin ich wahrscheinlich meinen Job los. Meine Nase schält
sich. Meine Haare sind total hinüber. Ich habe sieben Nachrichten von Mom auf meinem Handy, die ich allesamt nie anhören möchte.«
Bill lächelte mich an. »Ich hätte fast vergessen, wie schön
es mit dir ist.«
»Schön?«
Ich sprang ihm praktisch ins Gesicht. Vor Wut fühlten sich
meine Haarwurzeln an, als ständen sie in Flammen. Ich rammte Bills Schulter, dass er aus dem Gleichgewicht kam und ins
Wasser purzelte.
Hinter mir bog sich Hooker vor Lachen. Ich wirbelte herum
und versetzte ihm einen Tritt in die Kniekehle, dass er zusammenklappte und direkt neben Bill von der Kante der Tauchplattform ins Wasser kippte.
Beide Männer tauchten lächelnd wieder auf.
»Geht’s dir jetzt besser?«, fragte Hooker.
»Ja. Das mit dem Tritt tut mir Leid. Mein Temperament ist
mit mir durchgegangen.«
Er zog sich auf die Tauchplattform hoch und schälte sich
aus seinem Hemd. »Du lügst schon wieder. Das mit dem Tritt
tut dir überhaupt nicht Leid.«
»Ein bisschen Leid könnte es mir schon tun.«
Bill kletterte hinter Hooker auf die Plattform. »Leg dich
lieber nicht mit ihr an. Sie hat schon immer mit allen Tricks
gekämpft. Und sie war mal mit einem Kickboxer verlobt.«
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