Tiefer gelegt
jedenfalls
streckte Hooker irgendwann die Hand aus und begann meinen
Nacken zu streicheln.
Mir kam es so vor, als würden wir immer einen Schritt vor
und zwei zurück machen. Bei jedem Schritt, ob nun vorwärts
oder rückwärts, gerieten Hooker und ich tiefer in den Schlamassel, stand Bills Zukunft näher an der Kippe, wobei ich
Maria noch gar nicht eingerechnet hatte. Ich hoffte, dass sie überhaupt noch eine Zukunft hatte.
Bis vor einer Woche hatte ich ein Leben ohne irgendwelche
Probleme geführt. Ohne größere Krankheiten oder Katastrophen. Nichts, was mich beunruhigt hätte. Okay, ich hatte ein
paar abgebrochene Romanzen hinter mir, die durchaus
schmerzhaft gewesen waren. Manchmal hatte ich das Gefühl,
ziellos dahinzutreiben und meine Zeit zu vergeuden. Aber nie
musste ich um mein Leben bangen oder den vorzeitigen Tod
eines geliebten Menschen fürchten. Bis vor einer Woche hatte
ich noch nie in den Lauf einer Waffe geblickt.
Inzwischen weiß ich, wie es ist, in Angst zu leben … und
ich bin ehrlich gesagt nicht scharf darauf. Ich hätte mich gern
in ein Flugzeug gesetzt und wäre heimgeflogen, aber damit
wäre leider nichts gelöst. Wahrscheinlich würden mich die
bösen Buben aufspüren, selbst wenn ich noch so weit floh.
Außerdem könnte ich nicht mehr in den Spiegel schauen,
wenn ich Bill so brutal im Stich ließe. Sein Hirn mag manchmal nur mit halber Kraft arbeiten, aber dafür sitzt sein Herz am
rechten Fleck.
Dann gibt es noch etwas, was mir zu schaffen macht. Der
Behälter. Ehrlich gesagt lebe ich gemeinhin eher in den Tag
hinein. Ich habe keine Ambitionen, die Welt zu verbessern.
Natürlich hätte ich gern einen besseren Job, aber bislang musste ich immer zu schwer arbeiten, um auch nur meine Miete zu
bezahlen, als dass ich einen Wechsel riskiert hätte. Selbst
wenn ich einen besseren Job bekommen hätte, hätte sich mein
Ehrgeiz wohl in Grenzen gehalten. Es ist nicht so, dass ich
Astronautin, Filmstar oder Königin von England werden will.
Ich hätte nur gern einen abwechslungsreicheren Job. Nicht
dass es immerzu abwechslungsreich zugehen müsste … aber
hin und wieder wäre das nicht schlecht. Ich wollte weiß Gott
noch nie die Welt retten. Darum bin ich nicht richtig vorbereitet auf die ungeheure Verantwortung, die ich trage, seit ich
weiß, wo ein Behälter liegt, in dem sich möglicherweise ein
Sprengkopf befindet. Ich bin völlig unvorbereitet auf meine
eigene, fast brutale Entschlossenheit, ihn nicht in die falschen
Hände fallen zu lassen.
»Wir brauchen Hilfe«, sagte ich zu Hooker. »Das ist was
anderes als damals, als Bill das Bierfass geklaut hat. Das hier
ist bitterer Ernst, und es wird nicht von selbst aufhören. Wir
müssen irgendeine offizielle Stelle mit ins Boot nehmen.«
»Einverstanden«, sagte Hooker. »Und welche?«
»Keine Ahnung. Wer kümmert sich normalerweise um die
Entschärfung einer chemischen Bombe?«
»Das übersteigt meinen Horizont. Ich kann fahren, und ich
kann tanzen, ich kann sogar Rühreier braten, aber mit Sprengköpfen kenne ich mich nicht aus. Wahrscheinlich könnten wir
uns für den Anfang ans FBI wenden.«
Ich fuhr dreimal um den Block. Schließlich wurde einen
halben Block vor Salzars Bürogebäude ein Parkplatz frei, und
ich parkte den Mini ein.
»Möchtest du dich jetzt gleich ans FBI wenden?«, fragte
Hooker. »Oder sollen wir erst versuchen, Bill aufzuhalten?«
»Erst Bill aufhalten. Wenn es geht.«
Zu dieser Tageszeit herrschte auf der Calle Ocho dichter
Verkehr. Die Autos bremsten ein wenig ab, wenn sie an unserem Mini vorbeikamen, die Insassen schauten mit großen Augen zu uns herüber, und dann drückten die Fahrer regelmäßig
aufs Gas.
Hooker rutschte tiefer in seinen Sitz. »Man könnte meinen,
die Leute hätten noch nie ein Auto mit Kugeleinschlägen gesehen.«
Wir ließen eine halbe Stunde verstreichen. Kein Bill zu sehen. Anrufen konnte ich ihn nicht. Er hatte sein Handy nicht
dabei. Also rief ich stattdessen Judey an. Judey hatte nichts
von ihm gehört.
»Wir sollten reingehen und uns nach ihm erkundigen«,
schlug Hooker vor. »Nachfragen, ob er sich am Empfang angemeldet hat.«
Ich verzog das Gesicht.
»Hey, das könnte witzig werden«, meinte Hooker.
»Hast du keine Angst?«
»Willst du die Wahrheit hören? Meine Eier haben sich
schon halb in meinen Bauch verzogen vor Angst. Wenn das
hier ausgestanden ist, bist du mir wirklich was schuldig.«
Wir stiegen aus und gingen den halben Block
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