Tiefer Schmerz
Was für ein Verbindungsglied fehlt uns?«
»Möglicherweise denken wir an irgendeinem Punkt falsch«, sagte Hjelm. »Ich habe das vage Gefühl, daß irgendwo ein Denkfehler steckt.«
»Aber vage Gefühle sind nicht das, womit wir unseren Job machen.«
»Sag das nicht.«
»Habt ihr noch mehr?«
»Nein«, sagte Hjelm. »Gunnar und ich machen mit den Schiffen weiter. Als nächstes muß der alte sowjetische Frachter Cosmopolit lokalisiert werden. Außerdem werde ich mir Leonard Sheinkmans Tagebuch noch näher ansehen.«
»Hast du das noch nicht getan? Ist es noch immer zu schwer?«
»Ja«, sagte Paul Hjelm.
Hultin seufzte tief und wandte sich an Kerstin Holm:
»Kerstin?«
Sie schaute auf wahnwitzige Papierstapel hinab und sagte: »Ich mache, wie gesagt, weiter mit den Aufhängungen in Europa. Ich kämme Ermittlungen in verschiedenen Sprachen mit dem Läusekamm durch. Auf jeden Fall haben wir nicht mehr hereinbekommen, das ist immerhin ein Trost. Dagegen haben meine Nachfragen bei Robbins in Manchester, Mészöly in Budapest, Sremac in Maribor, Roelants in Antwerpen, von Weizsäcker in Wiesbaden und Gronchi in Venedig gewisse Ergebnisse gebracht. Von diesen Städten ist Maribor die kleinste. Das war auch die Aufhängung, die Stockholm unmittelbar voraufging, im März. Die slowenische Polizei ist diejenige, die sich am meisten Mühe gibt, als guter Partner bei der europäischen Zusammenarbeit zu erscheinen, und Maribor ist, wie gesagt, eine ziemlich kleine Stadt. Es scheint, als wären tatsächlich im März einige Prostituierte aus Maribor verschwunden. Auch von Kommissar Gronchi in Venedig liegen gewisse Andeutungen vor, aber sie sind eher vage. Venedig ging Maribor voraus. Das war im Februar. Wiesbaden ist auch nicht riesig, und Kriminalinspektor von Weizsäcker ist sehr dezidiert: Von dort sind keine Prostituierten verschwunden. Das war im Dezember. Möglicherweise kann man das so deuten, daß die Erinnyen in diesem Frühjahr angefangen haben zu expandieren. Und wenn das zutrifft, haben wir erst den Anfang gesehen. Außerdem habe ich endlich Antwort von einem Kriminalinspektor Benziger in Weimar bekommen. Kommissar …«
»Haben sie wirklich solche Titel?« fragte Viggo Norlander. »Normale, ehrliche, urschwedische Titel?«
»Natürlich nicht«, sagte Kerstin Holm. »Es sind ungefähre Übersetzungen. Um Titel und Beförderungswege und Hierarchien in nationalen Polizeiorganisationen zu verstehen, ist große Detailkenntnis erforderlich. Bei uns ist es schon schwer genug. Ich weiß kaum, welchen Titel ich selbst habe, geschweige denn, wie ich ihn übersetzen müßte. Darf ich weitermachen?«
»Laß mich nachdenken«, sagte Norlander naßforsch.
»Doch. Doch, das geht in Ordnung.«
»Danke. Kommissar Radcliffe in Dublin hatte vorgeschlagen, mit diesem Benziger Kontakt aufzunehmen. Er hat vor einer Stunde geantwortet. Ich lese: ›Sehr geehrte Frau Holm. Ich bedauere es außerordentlich, daß ich Ihre E-Mail erst jetzt beantworten kann. Ich war durch einen auswärtigen Auftrag verhindert. Jimmy hat recht daran getan, Sie an mich zu verweisen. Also James Radcliffe. Auf einer internationalen Konferenz erwähnte ich ihm gegenüber vor kurzem, daß wir auf einen modus operandi gestoßen sind, der an Ihren Fall erinnert. Ich weiß jedoch sehr wenig darüber, weil es sich nicht um eine polizeiliche Angelegenheit handelt. Ich muß Sie diesbezüglich an Professor Ernst Herschel vom Historischen Institut der Universität Jena verweisen. Mit freundlichen Grüßen, Kriminalinspektor Josef Benziger, Weimar.‹«
»Hast du schon Kontakt mit diesem Herschel?« fragte Hultin.
»Nein«, sagte Holm. »Am Telefon meldet sich niemand. Ich habe ihm eine Mail geschickt.«
»Danke. Noch etwas?«
»Im Moment nicht.«
»Dann können wir die Sitzung ja mit einer kleinen Filmvorführung beschließen?«
»Ja, aber hallo«, sagte Viggo Norlander fröhlich. »Ich und deine Frau, Jorge, haben eine gemeinsame Reise unternommen. Eine Art Flitterwochen. Wir haben in Karlskrona sogar das Hotelzimmer geteilt.«
»Das haben wir nicht«, sagte Sara ruhig.
»Nein, vielleicht nicht«, fuhr Norlander fort, ohne sich beirren zu lassen. »Aber ich habe sie in allen möglichen Stellungen gefilmt.«
»Wenn du nicht aufhörst, darfst du nicht auf das Fest kommen«, sagte Chavez relativ unberührt und wühlte in den Tauenden.
»Was für ein Fest?« fragte Viggo.
»Oj«, sagte Jorge und legte die Hand auf den Mund.
»Vielleicht war er gar
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